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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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fest.
    »Und dazu ein Mittag- und ein Abendessen«, erwiderte er, weil er merkte, wie ausgehungert er war.
    Sie verschwand in der Küche und erteilte dem Personal einige Anweisungen. Dann kam sie mit einem dampfenden Becher Zichorienkaffee und einem Stück ihres berühmten Ahornzuckergebäcks zurück. Mette Jorgensen hatte zu einer Urlaubergruppe von fünfzehn norwegischen Vogelbeobachtern gehört, die eines Tages aus der Wildnis in die kürzlich gegründete Siedlung Carthage gestolpert waren. Die Norger, wie sie schon bald genannt wurden, hatten in der Kolonie eine kraftvolle Subkultur etabliert. Aus ihren Reihen stammten zudem die besten Schiffbauer. »In zehn Minuten gibt’s Rührei mit Speck«, sagte sie und wurde dann ernst. »Das mit Jonah tut mir ja so leid.«
    »Ich möchte dich etwas wegen des besagten Abends fragen«, erklärte Hadrian zwischen zwei Bissen.
    »Ich helfe gern, wo ich kann, das weißt du.«
    Hadrian hatte sich stets ein wenig schuldig gefühlt, weil Mette ihm schon seit so vielen Jahren in Dankbarkeit verbunden war. Er hatte damals als Ratsmitglied interveniert, als das von Buchanan eingesetzte Tribunal Bürger auswählte, die verbannt werden sollten. Mettes Ehemann hatte durch die Strahlung verheerende Nervenschäden erlitten und konnte einen Arm nicht mehr bewegen. Hadrian hatte versichert und sogar vor dem Tribunal beschworen, es sei die Folge einesUnfalls. Und obwohl ihr Mann nur ein Jahr später gestorben war, blieb Mette ihm bis heute eine treue Freundin.
    »Ich habe nachts wach gelegen und selbst schon darüber nachgedacht«, sagte sie bekümmert.
    »Jonah war kein Selbstmordkandidat.«
    »Hadrian, er ist jeden Tag hergekommen, um einen Kaffee zu trinken und ein Brötchen zu essen, und er hat immer gelächelt und war voller Pläne. Letzte Woche stand er draußen vor dem Fenster und winkte mich zu sich, damit ich sehen konnte, dass ein Schmetterling sich auf seinem Finger niedergelassen hatte. Jonah hat auch an den kleinsten Dingen große Freude gehabt.«
    »Hast du an dem Abend irgendwas bemerkt?«
    »Ich habe ja nicht bewusst darauf geachtet. Manchmal sitze ich abends vor dem Haus und rauche eine Pfeife. Und zur Schlafenszeit werfe ich meistens einen Blick nach draußen, während ich oben die Vorhänge zuziehe.«
    »Und?«
    »Als ich auf der Bank gesessen habe, waren da auf der anderen Straßenseite zwei Leute mit Umhängen. Sie sind an der Bibliothek vorbeigegangen, als würden sie das Gebäude beobachten. Ich habe gewinkt. Sie haben nicht zurückgewinkt. Fünf Minuten später sind sie aus der anderen Richtung zurückgekommen.«
    »Waren es zwei Männer?«
    »Das weiß ich nicht. Sie hatten Kapuzen auf. Es war schon ziemlich kühl. Nachdem sie das zweite Mal vorbeigelaufen waren, bogen sie in eine dunkle Gasse zwischen den Laternen ab. Ich hatte den Eindruck, sie würden warten, dass ich verschwinde. Als ich von oben noch mal nachgeschaut habe, war niemand zu sehen.«
    »Wie lange vor dem Feuer war das?«
    Mette zuckte die Achseln. »Etwa eine halbe Stunde.«
    »Sonst noch jemand?«
    »Die Polizeistreife, eine Stunde vor der gewohnten Zeit. Normalerweise machen sie auf der Bank eine Zigarettenpause, aber diesmal sind sie weitergegangen.«
    »Hattest du Jonah zuvor an jenem Tag gesehen?«
    Sie nickte. »Sogar häufiger als üblich. Er ist morgens zum Kaffee hergekommen und dann am späten Nachmittag zum Tee. Meistens verkriecht er sich ja bis zum Abend in seiner Werkstatt, und nicht selten übernachtet er dort sogar. Er hat seinen Tee getrunken und ist gegangen. Die Straße hinunter. Aber später kam er zurück. Ich habe gesehen, wie sich auf seinem Balkon das Licht aus der Werkstatt gespiegelt hat.«
    Das musste nach Hadrians Besuch gewesen sein. »Da ist noch was, Mette. Weißt du noch, ob du ihn je mit Micah Hastings gesehen hast, einem der jungen Waldläufer? Das müsste vor ungefähr sechs Monaten gewesen sein.«
    Die Bäckerin legte nachdenklich den Kopf auf die Seite und blickte zum Fenster hinaus. »Da war ein Junge in grüner und brauner Kleidung. Er hat Jonah angesprochen, als der mit seinem Tee hier aufgebrochen ist. Die beiden haben sich draußen auf die Bank gesetzt und lange miteinander geredet. Es kam mir so vor, als würde Jonah vergeblich versuchen, ihm etwas auszureden. Er schien aufgebracht zu sein. Er hat seinen ganzen Tee dort getrunken und dann dem Jungen hinterhergeschaut, als würde er ihm am liebsten folgen. Ich weiß das noch, weil er seinen Tee sonst immer

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