Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison

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Soweit es Carthage anging, gab es im Norden kein
dort
, keine echte Ansiedlung, kein Gemeinwesen, keine Person und auch sonst nichts, das für die Kolonie von Belang gewesen wäre.
    »Die Berichte besagen alle, dass es da bloß ein paar armselige Farmen und Fischer gibt, die von der Hand in den Mund leben.«
    »Die Berichte stammen alle von unseren Fischern«, erinnerte Hadrian sie.
    Jori sah aus, als hätte sie auf etwas Saures gebissen. »Was ist geschehen?«, fragte sie gen Himmel. »All die Jahre geht das Leben in Carthage seinen langsamen und gleichmäßigen Gang. Und dann auf einmal erkenne ich die Welt, in der ich lebe, nicht mehr wieder. Es wird jeden Tag …« Sie suchte nach einem Wort.
    »Größer«, schlug Hadrian nach einem Moment vor.
    »Größer«, pflichtete sie ihm seufzend bei. »Ich habe Erkundigungen über den Nachmittag vor Jonahs Tod eingezogen«, fügte sie nach einem Moment hinzu. »Niemand hat Kenton gesehen. Er war nicht im Gefängnis. Wahrscheinlich ist er einfach nur auf das Volksfest gegangen und hat sich die Pferderennen angeschaut, so wie die Hälfte der anderen Beamten, die Dienst hatten.«
    Hadrian nickte zerstreut. Ihm war eingefallen, dass auch noch andere Personen Hastings’ Leichnam gesehen haben konnten. Von Buchanans Töchtern wusste er das sogar definitiv. Er bückte sich und hob eine kleine braune Hülse vomBoden des Laderaums auf, sah dann noch eine und noch eine.
    »Getreide?«, fragte Jori, als er die Hülse auf ihre Handfläche fallen ließ. »Die Farmer benutzen keine Boote.«
    Diese kleinen Dinger ließen Hadrian erschaudern. »Sie transportieren Getreide«, sagte er. »Haben Sie nicht selbst gesehen, dass eine Wagenladung davon auf das Hafengelände gefahren wurde? Die Müller haben geschmuggelt.«
    »Nein«, widersprach sie. »Der Gouverneur hat doch gesagt, ich hätte mich geirrt.« Aber der Beweis in ihrer Hand ließ sich nicht abstreiten. »Um Gottes willen, nicht unser Getreide.« Es war das Herzblut der Kolonie und wurde daher strikt kontrolliert. Sämtliche Vorräte lagerten in fünf großen Regierungssilos am Stadtrand. »Das ist doch gar nicht möglich. Die Müller-Innung überwacht die Ernte und Weiterverarbeitung. Die Polizei bewacht die Silos.«
    »Dieses Boot schmuggelt Güter nach Carthage und nimmt Getreide von dort mit«, stellte er fest, wenngleich er keine Ahnung hatte, wohin es gebracht wurde. Es landete jedenfalls nicht bei den hungernden Ausgestoßenen, die er in den Camps gesehen hatte.
    »Bevor ich in der Nähe des Hafens gefangen genommen wurde, habe ich mir die Siedlung vom Hügel aus angesehen«, sagte Jori besorgt. »Da gibt es eine Insel mit hohen fensterlosen Hütten, daneben ein kleiner Anleger. Wie quadratische Silos.« Sie hob eine weitere Hülse auf. »Das verstehe ich nicht. Die geschmuggelte Munition. Diese geheimnisvollen Fässer. Nun das Getreide. Was hat das alles zu bedeuten?«
    Hadrian wusste darauf keine Antwort.
    Eine halbe Stunde später wurde die Luke vollständig geöffnet. Jemand ließ einen Eimer nach unten. Darin befanden sich ein Krug Wasser und vier Äpfel. Hadrian aß schweigend und grübelte über seine Entdeckungen nach. Als sie ihrkarges Mahl beendet hatten, fiel eine vertraute Gestalt durch die Öffnung. Hadrian sprang auf, um Dax zu fangen, und sah dann erst, dass er an ausgestreckten Armen am Rand der Luke hing.
    »Ist das nicht super?«, rief der Junge und schwang hin und her. »Der Wind und das Wasser und Millionen von Fischen um uns herum! Ich habe den Rücken eines Störs an der Oberfläche gesehen, so lang wie ein Heuwagen!«
    Hadrian packte den Jungen und zog ihn nach unten. »Du hast sie diesen Leuten ausgeliefert, Dax. Sie ist eine Polizistin.«
    Dax musterte Jori kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nicht außerhalb von Carthage, haben die gesagt. Außerhalb von Carthage ist sie bloß irgendeine neugierige Hexe.«
    »Aber genau wegen Carthage solltest du dir Gedanken machen, falls du je dorthin zurückkehren willst. Sie hat niemandem verraten, dass du mit den Schakalen zu tun hast.«
    »Das können Sie gar nicht wissen«, sagte Dax. »Sie sind vor ihr in den Camps eingetroffen.« Er beäugte die Beamtin misstrauisch.
    »Ich weiß, dass sie so etwas nicht tun würde«, beharrte Hadrian. »Jedenfalls vorläufig nicht. Und sie war mit mir in der Wohnung, in der dieser Polizist ermordet wurde. Falls Kenton von deiner Beziehung zu den Schakalen erfährt, lässt er vermutlich eure alte Mühle