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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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im Kreis herumliefen, als in der Höhe über ihnen helle Lichtfinger durch die Höhle stießen. Einen Augenblick später erstarben sie in einer trüben Glut, die nur noch markante Umrisse aus der Dunkelheit zu lösen imstande war. Er wandte sich der Quelle des Lichtscheins zu. Der Trupp der Verfolger war nicht zu sehen, doch schienen sich die Lichter in der Mündung des Höhlenganges zu konzentrieren, wo sie in einer vielfarbigen Aurora von der Decke und den Stalagtiten reflektiert wurden, während die Leute den Abstieg vorbereiteten.
    »Weiter«, sagte Mischa und zog ihn mit sich. In der kurzen Lichtexplosion hatte er einen Wald einzeln stehender Stalagmiten gesehen, und jenseits von ihnen die Höhlenwand. Sie hatten die andere Seite erreicht.
    Er wagte noch nicht, seine Lampe anzuzünden. Lichtreflexe flackerten wie Sonnenschein auf Wasser über die Höhlendecke, aber nicht hell genug, um ihm den Weg zu zeigen. Mischa blieb stehen. »Da!«
    »Was ist es?«
    »Ein Ausgang.«
    Schwärze in Schwärze. Nach einem Moment konnte er die Ränder einer schmalen Passage ausmachen, vor allem, weil über ihr und zu beiden Seiten drei aufgemalte identische Spinnenzeichen phosphoreszierten, als eine der Lampen ihrer Verfolger durch den Höhlenraum tastete und wieder abschwenkte. Er hatte das Spinnensymbol bisher nur einmal gesehen. »Mischa . ah ... dieses Zeichen ....«
    »Ja ?«
    »Es weist auf Gefahr hin, nicht wahr?«
    »Es bedeutet ›fremd«‹, antwortete sie. »Es soll heißen, daß man nicht in die Nähe gehen soll, weil normale Menschen es machten.«
    »Es war auch über der engen Röhre, durch die wir krochen, und ich glaube nicht, daß die Kristallisationen, an denen ich mich verletzte, von Menschen gemacht wurden.«
    »Ich weiß, aber das muß nicht bedeuten, daß wir hier auf die gleichen Hindernisse treffen werden.«
    »Gibt es keinen andern Ausgang?«
    »Ich sehe keinen, und wenn ich vorhin richtig gesehen habe, erstreckt sich dieses Tropfsteinlabyrinth noch weit in die Richtung, die wir nehmen müßten.« Sie wandte sich zu ihm um, und er sah ihre Augen das trübe, indirekte Licht aufnehmen und wie Katzenaugen glühen. Sie zupfte an seinem Ärmel. »Ich glaube, wir sollten weiter.«
    »Ich möchte nicht da hinein«, sagte er zögernd.
    »Ich weiß.«
    Er seufzte. »Also los!«
    Als er die Öffnung mit den warnenden Symbolen passierte, war ihm zumute, als durchschritte er das Tor zum Hades, aus dem kein Sterblicher wiederkehrt. Die aufgemalten Spinnen schienen in Bewegung zu geraten und ihm nachzukriechen, um phosphoreszierend und mit schrecklicher Behendigkeit unter seinen Kleidern zu verschwinden und ihm den Rücken hinaufzukrabbeln. Es hätte ihn kaum noch überrascht, wenn das katzenäugige Mädchen ihn vor den Thron des Herrn der Unterwelt geführt hätte. Dabei wünschte er sich nichts als Sonnenschein und Frieden.
    »Ich denke, wir können die Lampe wieder anzünden.«
    Er erschrak beim Klang ihrer Stimme; er war ihr rein mechanisch gefolgt, alle Aufmerksamkeit nach innen gekehrt, um der Dunkelheit und seinen Befürchtungen auszuweichen. Er zündete die Karbidlampe an, und sein Blick folgte dem aufflammenden Lichtkegel durch einen weiteren Höhlengang, der sich in wechselnder Breite und Höhe windungsreich durch das Gestein zog. Die Wankelmütigkeit seiner Empfindungen verdroß ihn, doch war er zu überreizt und erschöpft, um sich zu sammeln, zu nahe den Erfahrungen des Schmerzes und der Einsamkeit, um sie für späteres Nachdenken beiseite zu schieben.
     
    Der Gang begann anzusteigen und wurde kühler. Kondenswasser rann von den Wänden und machte den Boden schlammig, wo Lehm und Staub sich angesammelt hatten. Sie hinterließen eine deutliche Fährte von doppelten Fußabdrücken.
    »Ich glaube nicht, daß unsere Verfolger schon Angst bekommen haben«, sagte Mischa unvermittelt, »aber es wird ihnen nicht gefallen.«
    Er lachte, und für eine Weile ging es leichter. Er konnte sich Subzweis Unbehagen in der Höhlenwelt vorstellen: Es mußte unvergleichlich stärker sein als sein eigenes; und er konnte sich eine zunehmende Ungeduld unter Subzweis Leuten vorstellen. Bei aller Tüchtigkeit waren sie für Unternehmungen wie diese untauglich, weil sie in mancherlei Weise unreif waren: unfähig, Begeisterung oder Interesse für ein Ziel zu bewahren, das wiederholt ihrer Reichweite entrückt war, angewiesen auf raschen Erfolg und ständige Selbstbestätigung in ihren Vorhaben. Obwohl es Subzwei an Zähigkeit und

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