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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Gedicht, aber es ist keine große Geschichte wie das Wegelagerergedicht, und Seumas sagt, es ist ein bißchen eigentümlich, aber da ist es nun in seinem Kopf, und er kann es ewig mit herumschleppen, und eines Tages wird er es seinen Kindern aufsagen, falls Gott ihm welche schickt. Es hat ihm Schmerzen im Kopf gemacht, es sich zu merken; nur gut, daß ich nicht ständig Geburtstag habe.
    Nach vierzehn Wochen sagt mir Schwester
Rita, ich kann nach Hause, und bin ich nicht ein Glückspilz, weil das genau der Tag des hl. Franziskus von Assisi ist. Sie sagt mir, ich war ein sehr guter Patient, bis auf das kleine Problem mit dem Gedicht und Patricia Madigan, möge sie im Herrn ruhen, und ich bin herzlich dazu eingeladen, wiederzukommen und an einem großen Weihnachtsessen teilzunehmen. Mam kommt mich abholen, und mit meinen schwachen Beinen dauert es lang, bis wir zu Fuß die Bushaltestelle Union Cross erreicht haben. Sie sagt, laß dir Zeit. Nach dreieinhalb Monaten kommt es auf eine Stunde nicht an.
    In der Barrack Road und in der Roden Lane stehen die Leute vor der Tür und sagen mir, es ist großartig, mich wiederzusehen, daß ich ein guter Soldat bin, daß ich meinem Vater und meiner Mutter Ehre mache. Malachy und Michael laufen mir auf der Gasse entgegen und sagen, Gott, gehst du langsam. Kannst du nicht mehr rennen?
    Es ist ein strahlender Tag, und ich bin glücklich, bis ich Dad in der Küche sitzen sehe, mit Alphie auf dem Schoß, und da habe ich so ein leeres Gefühl im Herzen, weil ich weiß, daß er wieder keine Arbeit hat. Die ganze Zeit war ich sicher gewesen, daß er einen Job hat, Mam hatte gesagt, er hat einen, und ich dachte, es gibt Schuhe und was zu essen. Er lächelt mich an und sagt zu Alphie, och, da kommt dein großer Bruder aus
dem Krankenhaus zurück. Mam sagt ihm, was der Arzt gesagt hat, daß ich viel nahrhaftes Essen und viel Ruhe brauche. Der Arzt hat gesagt, Rindfleisch wäre das richtige, um mich wieder aufzubauen. Dad nickt. Mam macht Fleischbrühe aus einem Brühwürfel, und Malachy und Mike sehen mir beim Trinken zu. Sie sagen, sie hätten auch gern was, aber Mam sagt, geht weg, ihr hattet den Typhus nicht. Sie sagt, der Arzt will, daß ich früh ins Bett gehe. Sie hat versucht, die Flöhe loszuwerden, aber sie sind bei dem warmen Wetter, das wir jetzt haben, schlimmer als je zuvor. Außerdem werden sie aus dir nicht viel rauskriegen, bist ja nur Knochen und wenig Haut. Ich liege in dem Bett und denke ans Krankenhaus, wo die weißen Laken jeden Tag gewechselt wurden und es keine Spur von einem Floh gab. Es gab ein Klo, auf dem man sitzen und sein Buch lesen konnte, bis jemand kam und fragte, ob man tot ist. Es gab ein Bad, wo man, solang man wollte, in heißem Wasser sitzen und
    Gewicht’ge Umständ haben mich bewogen
Zu glauben, Sire, Ihr seid mein Feind Ref 25
    sagen konnte, und daß ich das jetzt sage, hilft mir beim Einschlafen.

     
     
    Als Malachy und Michael morgens aufstehen, um in die Schule zu gehen, sagt Mam mir, ich darf im Bett bleiben. Malachy ist jetzt in der fünften Klasse bei Mr. O’Dea, und er erzählt gern allen, daß er den großen roten Kathechismus für die Firmung lernt und daß Mr. O’Dea ihnen alles über den Stand der Gnade und Euklid erzählt, und wie die Engländer die Iren achthundert lange Jahre hindurch gequält haben.
    Ich will nicht mehr im Bett bleiben. Die Oktobertage sind wunderschön, und ich will draußen sitzen und die Gasse betrachten und die Sonne, wie sie auf die Hauswand gegenüber scheint. Mikey Molloy bringt mir Bücher von P.C. Wodehouse, die sein Vater in der Bibliothek ausleiht, und ich verbringe herrliche Tage mit dem Pumpgenie und Bertie Wooster und all den Mulliners. Dad leiht mir sein Lieblingsbuch, John Mitchels Gefängnistagebuch, in dem es um einen großen irischen Rebellen geht, den die Engländer zum Exil auf Van Diemen’s Land in Australien verurteilten. Die Engländer sagen John Mitchel, er kann sich auf ganz Van Diemen’s Land frei bewegen und kommen und gehen, wie es ihm paßt, wenn er sein Ehrenwort als Gentleman gibt, daß er nicht versucht zu entkommen. Er gibt sein Wort, bis ein Schiff kommt, um ihm bei der Flucht zu helfen, und geht zum Büro des englischen Friedensrichters und sagt, ich fliehe,
schwingt sich auf sein Pferd und endet schließlich in New York. Dad sagt, ihm macht es nichts aus, wenn ich alberne englische Bücher von P.C. Wodehouse lese, solange ich nicht die Männer vergesse, die ihren Beitrag

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