Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Entzündung, Sir. Er hatte letztes Jahr den Typhus, und dann kam dies.
Schon gut, schon gut, wir brauchen nicht die ganze Lebensgeschichte. Hier ist Ihre Überweisung zu Dr. Troy.
Zwei lange Bänke sind voller Patienten für Dr. Troy. Mam sitzt neben einer Frau, die auf der Nase eine große Stelle hat, die nicht weggeht. Ich habe alles versucht, Missis, jede bekannte Behandlung auf Gottes wunderschöner Erde. An
Jahren bin ich dreiundachtzig, und ich würde gern gesund ins Grab gehen. Ist es zuviel verlangt, wenn man mit gesunder Nase vor seinen Erlöser treten möchte? Und was ist mit Ihnen, Missis?
Mein Sohn. Die Augen.
Ach, Gott segne und errette uns, man sehe sich nur diese Augen an. Das sind ja die kränkesten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen habe. So eine rote Farbe habe ich ja noch nie gesehen.
Es ist eine Infektion, Missis.
Da gibt es aber doch ein Mittel. Sie brauchen die Glückshaube.
Und was ist das?
Babys werden mit diesem Ding auf dem Kopf geboren, eine Art Häubchen, selten und magisch. Besorgen Sie sich eine Glückshaube, und setzen Sie sie ihm an einem Tag mit einer Drei drin auf den Kopf, und dann muß er drei Minuten lang die Luft anhalten, und wenn Sie ihm dazu die Nase zuhalten müssen, und dann bespritzen Sie ihn dreimal von Kopf bis Zehennagel mit Weihwasser, und prompt werden seine Augen in der Morgendämmerung leuchten.
Und wo bekäme ich eine Glückshaube?
Haben denn die Hebammen nicht alle Glückshauben, Missis? Was ist eine Hebamme ohne Glückshaube? Sie heilt alle Sorten von Krankheiten und beugt gegen weitere vor.
Mam sagt, sie wird mit Schwester O’Halloran
sprechen und sehen, ob sie eine Glückshaube übrig hat.
Dr. Troy sieht meine Augen an. Sofort ins Krankenhaus mit diesem Jungen. Bringen Sie ihn in die Augenabteilung vom Städtischen Heim. Hier ist die Überweisung, damit kommt er rein.
Was hat er denn, Herr Doktor?
Den schlimmsten Fall von Bindehautentzündung, den ich in meinem Leben gesehen habe, und noch etwas, was ich nicht klar erkenne. Er braucht den Augenmann.
Wie lange wird er im Krankenhaus bleiben müssen, Herr Doktor?
Das weiß nur Gott. Sie hätten schon vor Wochen mit dem Kind hierherkommen sollen.
Auf der Station stehen zwanzig Betten für Männer und Jungens mit Kopfverbänden, schwarzen Augenklappen, dicken Brillen. Manche gehen durch den Saal und klopfen mit einem Stock gegen die Betten. Ein Mann schreit die ganze Zeit, daß er nie wieder sehen wird, daß er doch noch viel zu jung ist, daß seine Kinder noch Babys sind, daß er sie nie wieder wird sehen können. Jesus Christus, o Jesus Christus, und die Nonnen sind schockiert, wie er den Namen des Herrn im Munde führt. Hören Sie auf, Maurice, hören Sie mit der Gotteslästerung auf. Sie sind doch gesund. Sie leben. Wir haben alle unsere Probleme. Bringen Sie es dar, und denken Sie an die Leiden
unseres Herrn am Kreuze, an die Dornenkrone, die Nägel in Seinen armen Händen und Füßen, die Wunde in Seiner Seite. Maurice sagt, o Jesus, sieh herab und hab Erbarmen mit mir. Schwester Bernadette warnt ihn, wenn er sich nicht mäßigt, stecken sie ihn ganz allein auf eine Station, und er sagt, himmlischer Gott, das ist ja längst nicht so schlimm, wie es Jesus Christus ergangen ist, und da ist sie dann zufrieden.
Am Morgen muß ich wegen meiner Tropfen nach unten. Setz dich auf diesen hohen Stuhl, und hier hast du ein schönes Bonbon. Der Arzt hat eine Flasche mit braunem Kram drin. Er sagt zu mir, Kopf in den Nacken, so ist es recht, jetzt auf damit. Augen auf, die Augen ganz weit auf, und er gießt mir den braunen Kram ins rechte Auge, und mir schießt eine Flamme durch den Schädel. Die Schwester sagt, jetzt das andere Auge auf, na los, sei ein braver Junge, und sie muß die Augenlider mit Gewalt öffnen, damit der Arzt die andere Seite meines Schädels in Brand setzen kann. Sie wischt mir die Backen ab und sagt mir, nun lauf wieder nach oben, aber ich kann kaum sehen und möchte mein Gesicht in einen eiskalten Bach tunken. Nun lauf, sei ein Mann, sei ein gutes Frontschwein.
Auf der Treppe ist die ganze Welt braun und verschwommen. Die anderen Patienten sitzen mit Essenstabletts neben ihren Betten. Mein Essen
steht auch da, aber so wie mir der Schädel wütet, will ich es nicht. Ich sitze neben meinem Bett, und ein Junge gegenüber sagt, hoi, willst du dein Essen nicht? Dann nehme ich es, und er kommt, um es sich zu holen.
Ich versuche mich aufs Bett zu legen, aber eine
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