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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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gut.
    Wohl wahr, Missis. Gott hat die Welt erschaffen, es ist eine schreckliche Welt, aber Gott ist gut. Lebe wohl, Franziskus. Ruhe deine Augen aus, und lies dann, bis sie dir aus dem Kopf fallen. Wir hatten viel Spaß mit dem alten Jonathan Swift, stimmt’s, Franziskus?
    Stimmt, Mr. Timoney.
    Mam bringt mich zurück in die Augenabteilung.
Sie sagt mir, nun wein doch nicht wegen Mr. Timoney, er ist doch nicht dein Vater. Außerdem ruinierst du dir damit die Augen. Seumas kommt dreimal die Woche auf die Station und bringt neue Gedichte in seinem Kopf mit. Er sagt, du hast Patricia traurig gemacht, Frankie, als du das über den Uhu und die Miezekatze nicht gemocht hast.
    Tut mir leid, Seumas.
    Ich habe es im Kopf, Frankie, und ich werde es für dich aufsagen, wenn du nicht sagst, daß es albern ist.
    Bestimmt nicht, Seumas.
    Er sagt das Gedicht auf, und jeder auf der Station liebt es. Sie wollen sich den Text merken, und er sagt es noch dreimal auf, bis die ganze Station im Chor sagt:
    Der Uhu und die Miezekatze fuhren aufs Meer hinaus,
    Ja, hinaus!
    Das schöne Boot war erbsengrün, der Horizont war achteraus,
    Achteraus!
    An Bord haben wir viel Honig und Geld,
    Und das Geld, das wickeln wir ein
    In einen Schein aus fünnef Pfund Geld,
    in einen Fünnefpfundschein.
    Der Uhu sah zu den Sternen empor

    Und sang zu der kleinen Gitarre,
    Ach, Miezekatze, küsse mich,
    Sse mich,
    Sse mich,
    Weil ich sonst bis inskünftig und darüber hinaus
    Deines Kusses immer nur harre. Ref 31
    Jetzt sagen sie es zusammen mit Seumas auf, und als es vorbei ist, rufen sie hurra und klatschen, und Seumas lacht und ist von sich entzückt. Als er mit Mop und Eimer gegangen ist, kann man sie zu jeder Tages- und Nachtzeit hören:
    Ach, Miezekatze, küsse mich,
    Sse mich,
    Sse mich,
    Weil ich sonst bis inskünftig und darüber hinaus
    Deines Kusses immer nur harre.
    Dann kommt Seumas ohne Mop und Eimer, und ich habe Angst, er ist wegen der Dichtung gefeuert, aber er lächelt und sagt, er haut ab nach England, um in einer Fabrik zu arbeiten und zur Abwechslung mal einen anständigen Lohn zu verdienen. Er wird dort zwei Monate lang arbeiten und dann die Frau nachkommen lassen, und Gott gefällt es ja vielleicht, ihnen Kinder zu schikken,
denn er muß etwas mit all den Gedichten in seinem Kopf anfangen, und was gibt es Besseres, als sie zur Erinnerung an jene süße Patricia Madigan, die an der Diphtherie gestorben ist, den Kleinen aufzusagen.
    Lebe wohl, Frankie. Wenn ich die richtige Faust zum Schreiben hätte, würde ich dir schreiben, aber ich werde die Frau dazu anhalten, daß sie dir schreibt, sobald sie nachgekommen ist. Vielleicht lerne ich sogar selbst Lesen und Schreiben, damit das Kind, welches kommt, keinen Narren zum Vater hat.
    Ich möchte weinen, aber man kann in der Augenabteilung nicht weinen, wenn man braunen Kram in den Augen hat und Krankenschwestern sagen, was denn was denn sei ein Mann, und Nonnen nörgeln, bring es dar, denk an die Leiden unseres Herrn am Kreuze, an die Dornenkrone, die Lanze in Seiner Seite, an Seine Hände und Füße, von Nägeln zerfetzt.
    Ich bin jetzt einen Monat im Krankenhaus, und der Arzt sagt, ich kann nach Hause, obwohl immer noch ein bißchen Entzündung da ist, aber wenn ich die Augen mit Seife und sauberen Handtüchern sauberhalte und meine Gesundheit mit nahrhaftem Essen aufbaue, jede Menge Rindfleisch, reichlich Eier, werde ich in Null Komma nix ein schönes Paar funkelnder Augen haben, haha.

    Mr. Downes von gegenüber kommt zur Beerdigung seiner Mutter aus England zurück. Er erzählt Mrs. Downes von meinem Vater. Sie sagt es Bridey Hannon, und Bridey sagt es meiner Mutter. Mr. Downes sagt, daß Malachy McCourt sich schier in den Wahnsinn getrunken hat, daß er seinen Lohn überall in Coventry in Kneipen durchbringt, daß er irische Rebellenlieder singt, was den Engländern egal ist, weil sie daran gewöhnt sind, wie die Iren sich über die Hunderte von Jahren des Leidens auslassen, aber mit einem Mann, der in einer Kneipe aufsteht und den König und die Königin von England beleidigt sowie ihre beiden reizenden Töchter und die Königinmutter persönlich, finden sie sich nicht so leicht ab. Die Königinmutter zu beleidigen, das geht weiter als zu weit. Was hat sie denn jemals jemandem getan, die arme alte Dame? Ein ums andre Mal vertrinkt Malachy seine Miete, und dann schläft er im Park, wenn der Hausbesitzer ihn rausschmeißt. Er ist eine regelrechte Schande, das ist er, und Mr. Downes

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