Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
werden. Sie wollen Hochglanzbroschüren.«
Nun ist das eine Prozent nicht von Hause aus die kompetenteste Gruppe, wenn es um Bedürftigkeit geht. Wie selbstverständlich gehen die reichen Stifter davon aus, dass sie im Zweifel besser helfen, als es der Staat vermag. Doch die Wohltäter aus der Wirtschaftselite schlampen bei den Hausaufgaben: der Marktanalyse.
Hilfe ist in Deutschland keine Angelegenheit von Ehrenamtlichen, die nach Feierabend Gutes tun, sondern eine Branche mit zwei Millionen Beschäftigten. Die Hilfsindustrie ist die größte Branche der gesamten deutschen Volkswirtschaft. 61 Das deutsche Hilfssystem ist das am stärksten ausdifferenzierte in der Geschichte der Menschheit. Zu glauben, als erfahrener Unternehmer der Autozulieferindustrie sei man auch in der Lage, sich in dem umkämpften Hilfsmarkt segensreich engagieren zu können, setzt eine Menge Hybris voraus. Man stelle sich den umgekehrten Fall vor: Ein Geschäftsführer einer erfolgreichen Kette von Behindertenheimen käme auf die Idee, so eben mal eine Firma zu gründen, die Vorderachsen für BMW zuliefert.
Die Hilfsstiftungen, ob sie nützliche Arbeit leisten oder lediglich den Profis auf den Füßen stehen, widersprechen jedoch immer dem Grundgedanken dieses Sozialstaates. Das Grundgesetz garantiert jedem Bedürftigen Unterstützung. Hilfe ist ein Grundrecht. Kein Hilfesuchender muss in Deutschland Bitte oder Danke sagen. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Sozialstaat und Charity. In der Demokratie entscheiden letztlich die Bürger darüber, wem wie geholfen wird. Und nicht der Fürst.
»Als Stifterin hatte ich plötzlich eine ungeheure Macht, die ich so gar nicht wollte«, erzählt mir eine schwäbische Multimillionärin, die sich an einer eigenen Stiftung versucht. Auch sie will anonym bleiben. »Ich wollte irgendwas Soziales machen. Da kamen dann Menschen mit ihrer persönlichen Not zu mir. Was macht man da? Ich saß da und musste entscheiden: Der kriegt was, der kriegt nichts. Damit war ich ganz unglücklich.« Die hilflose Helferin kam sich vor wie der Fürst, der den Daumen hebt oder senkt. Sie versuchte, sich mit anderen Stiftungen in ihrer Region auszutauschen und stellte fest: »Viele haben das gleiche Problem wie ich: Woher soll man wissen, wem man am besten hilft. Letztlich bleibt doch jeder Stiftungszweck willkürlich.«
Die reiche Schwäbin hat ihr Vermögen nicht erarbeitet. »Ich kann ja auch nichts dafür, dass ich ein Unternehmen geerbt habe.« Als ihr klar wurde, dass sie die Firma nicht erfolgreich würde führen können, verkaufte sie. Im Jahr darauf stand sie in der Liste der »500 reichsten Deutschen« des manager magazin. Worüber sie sich sogleich beim Verlag beschwerte.
Erben ist der Königsweg zu wahrem Reichtum
Ihre Reichtumsgeschichte ist typisch für den Geldadel. Reich wird man vor allem durch eine reiche Familie. Die Erbschaft ist der Königsweg zum Vermögen. Melanie Böwing-Schmalenbrock hat in ihrer Doktorarbeit die »Wege zum Reichtum« untersucht. 62 Schon bevor die Forscher über gesicherte Daten verfügten, sind sie von einer überragenden Bedeutung des Erbens ausgegangen. Jetzt lautet das Fazit der Soziologin: »Erbschaften sind noch weitaus wichtiger, als die Wissenschaft bisher schon angenommen hat.«
Es gibt zwei Wege, ein Vermögen auf die nächste Generation zu übertragen: mit kalter Hand oder mit warmer, Vererben oder Schenken. Meist entscheiden die Steuerberater, welche Methode bevorzugt wird. Über 86 Prozent der reichen Haushalte gaben bei Böwing-Schmalenbrocks Untersuchung selbst an, bereits eine bedeutende Erbschaft oder Schenkung erhalten zu haben. 56 Prozent wurden gleich zwei Mal bedacht, ein Viertel sogar drei Mal oder mehr. Von den durchschnittlichen Haushalten in Westdeutschland erben lediglich 20 Prozent. Ostdeutsche haben so gut wie gar nichts zu vererben. Von den reichen Haushalten schätzen zwei Drittel, dass für ihren Wohlstand Erbschaften besonders wichtig waren. Das bedeutet umgekehrt: Nur ein Drittel der Vermögenden wurde ohne das Geld der Vorfahren, allein durch eigene Leistung reich.
Einkommen ist ungleich verteilt. Vermögen noch ungleicher. Alles kein Vergleich zum Erben. Die Übertragung des Vermögens auf die nächste Generation ist höchste Form der Ungleichheit. Das ist das Ergebnis der umfangreichen Studie »Erben in Deutschland«, die das Deutsche Institut für Altersversorgung ( DIA ) vorgestellt hat. 63 »Der eine erlebt einen Wolkenbruch,
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