Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
der andere einen Nieselregen und noch mal andere nicht mal den Morgentau«, schreiben die Autoren in der Einleitung. In über der Hälfte der Fälle, in denen überhaupt etwas vererbt wird, geht es um Beträge unter 25000 Euro. Bei nicht einmal einem Viertel aller Erbschaften haben Immobilien und das Ersparte auf der Bank zusammen einen Wert von über 150000 Euro. Nur zehn Prozent aller Erbschaften sind überhaupt erbschaftsteuerpflichtig. Erben ist also ein Privileg einer absoluten Minderheit. Dennoch äußert sich die absolute Mehrheit bei Umfragen regelmäßig gegen eine stärkere Besteuerung der Hinterlassenschaft. Die Mittelschicht verteidigt vehement die Privilegien der Oberschicht. Sie streitet für eine andauernde Umverteilung nach oben. Die Verteilung des Reichtums wird betoniert, für Generationen. Die Mittelschicht kämpft für die Kinder des Geldadels. Und gegen die eigenen.
Von dem »Erwerb von Todes wegen«, wie das Steuerrecht es nennt, bekommt der Staat so gut wie nichts. 2010 starb Theodor Albrecht, einer der beiden Aldi-Brüder. Geschätzte Hinterlassenschaft: 16 Milliarden Euro. Laut Steuertabelle wären davon mindestens 4,8 Milliarden Euro Erbschaftssteuer fällig. Die Bundesrepublik Deutschland hat 2010 insgesamt jedoch nur 4,4 Milliarden Euro Erbschaftssteuer eingenommen.
Würden auch die reichsten Hinterbliebenen ihr Erbe streng nach der Tabelle versteuern, dann müssten allein die zwei Prozent mit den größten Erbschaften insgesamt gut 50 Milliarden Euro an Erbschaftssteuern an den Fiskus überweisen. 64 50 Milliarden Einnahmen sind es in der Theorie. Tatsächlich haben die Finanzämter in den vergangenen Jahren durchschnittlich etwa vier Milliarden Euro Erbschaftssteuer eingenommen, nicht einmal ein Zehntel. Wie kommt diese riesige Differenz zustande? Es ist ein Werk der Steuerberater. Der Generationswechsel des Vermögens ist die Champions League der Steuervermeidungsindustrie. »Estate Planning«, der Umweg um das Finanzamt bei der Vermögensübertragung, ist inzwischen ein eigener Ausbildungsgang an deutschen Hochschulen. Zum Beispiel an der European Business School im Rheingau. 65
In der Praxis buddeln dann zertifizierte »Estate Planner«, Steuer berater und »Wealth Manager« der Bank in einem Team gemeinsam an Steuerschlupflöchern. Praktisch alle Privatbanken, die im Geschäft des Vermögensmanagement tätig sind, bieten ihren Kunden das Rundum-sorglos-Paket »Vermögensnachfolge« an. In einem Werbetext der feinen Berenberg Bank heißt es dazu etwa: »Gern arbeiten wir mit Ihrem steuerlichen und rechtlichen Berater zusammen, um die beste Strategie zum richtigen Zeitpunkt zu entwickeln.« 66 Das Ziel ist klar: kein Cent Erbschaftssteuer für den Staat.
Erben, das hat Reichenforscher Wolfgang Lauterbach herausgefunden, sind anders als andere Reiche. »Wer durch Leistung und Unternehmertum reich geworden ist, engagiert sich deutlich stärker für die Gesellschaft, als derjenige, der durch Erbschaft reich geworden ist.« Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein vermögender Unternehmensgründer für die Belange der Gemeinschaft interessiert und engagiert, ist zweieinhalb Mal größer als bei einem Gleichreichen, dem die Ahnen das Konto überschwemmten. 67 Erben sind die isoliertesten Reichen, die sich am weitesten in ihre Parallelgesellschaft zurückgezogen haben.
In den vergangenen Jahrzehnten erlebte der deutsche Geldadel eine wahrhaft königliche Zeit. Doch das nächste Jahrzehnt wird noch viel besser. Grund dafür ist die Demografie. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Altersforschung geht bis 2020 mehr als ein Viertel des privaten Vermögens an die nächste Generation. 260 Milliarden werden den Besitzer wechseln. Und das in jedem Jahr! 68 Noch nie in der Geschichte wurden in so kurzer Zeit solche gigantischen Werte vererbt. Und dabei umverteilt. Der Reichtum rückt noch weiter nach oben. Die Vermögenskonzentration wird schon in wenigen Jahren Dimensionen erreichen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Der Aufstieg des einen Prozents hat gerade erst begonnen.
Die richtigen Großeltern. Vater und Mutter aus dem Geldadel. Auf einem Internat in England den Habitus verinnerlichen. Einen Partner aus bestem Hause heiraten. Hin und wieder versuchen, ein Unternehmen zu gründen. Das Geld für sich arbeiten lassen. Bei der Verwaltung und Vermehrung des Vermögens den »Wealth Manager« nicht stören. Ein Team erstklassiger Steuerberater engagieren. Kontakte mit der
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