Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
Bordmitteln ein wenig mitzuspielen. 1000 ganz legale Steuertricks von Franz Konz ist eines der meistverkauften Bücher deutscher Sprache. Am Wochenende laden sich Familienväter die neuste Steuersoftware auf den heimischen PC, um dem Finanzamt den einen oder anderen Euro abzutrotzen.
Der Umgang mit den Steuern ist einer der wenigen Bereiche des Lebens, bei dem die Oberschicht stilbildend für die gesamte Gesellschaft geworden ist. Die Jagd nach Steuerschlupflöchern wurde auch in der Mittelschicht zum Volkssport. Dabei bleibt der Profit der Trickserei bei Arbeitnehmern meist in der Größenordnung von Flaschenpfand. Ihre Steuern werden monatlich und automatisch einbehalten. Bei Selbstständigen und Unternehmern verlässt sich die Finanzverwaltung indes auf deren eigene Angaben. Im Durchschnitt werden familiengeführte Unternehmen nur alle 30 Jahre überprüft, »Millionäre in manchen Bundesländern nur alle 20 Jahre«, sagt Dieter Ondracek, der ehemalige Vorsitzende der Steuergewerkschaft. »Die Dummen sind letztlich die Arbeitnehmer. Denn sie haben gar keine Möglichkeit, steuerunehrlich zu sein.« 56
Das steuerliche Wellnessprogramm geht inzwischen sogar vielen Wohlhabenden zu weit. In Zeitungen und Zeitschriften fordern einige Steuererhöhungen für sich und ihre Reichtumsklasse. 57 SAP -Gründer Dietmar Hopp verlangt das nicht nur, er überweist gleich freiwillig einen höheren Betrag an die Staatskasse.
Andere Vermögende gründen eine Stiftung. Die meisten geben an, sie wollten der Gesellschaft »etwas zurückgeben«. Zurückgeben kann man nur, was man zuvor genommen hat.
Die Vermögen gehen stiften
Über viele Jahrzehnte war Deutschland ein Entwicklungsland in Sachen Stiftungen. Doch allein 2011 gingen 817 neue Stiftungen an den Start. Inzwischen erlebt Deutschland einen wahren Stiftungsboom. Genau genommen seit dem Jahr 2007. Damals hat der damalige Finanzminister Peer Steinbrück die Möglichkeiten ausgeweitet, mit gemeinnützigen Stiftungen Steuern zu sparen. Der entscheidende Auslöser des Booms war also nicht das Bedürfnis, die Gesellschaft zu unterstützen – das war auch vorher möglich –, sondern die günstige Gelegenheit, dabei die eigene Steuerlast zu drücken.
Wie viele Geldinstitute, bietet auch die Bank Hauck & Aufhäuser ihren Kunden ein Servicepaket »Stiftungsmanagement« an. In einem Werbetext der Bank heißt es dazu: »Auf diesem Weg arbeiten wir gerne mit Ihren Steuerberatern und Anwälten zusammen, um bei dem komplexen Umfeld alle Vorteile einer Stiftung zu sichern. Neben zahlreichen Faktoren spielt der steuerliche Aspekt eine wichtige Rolle.« 58
Nur ein kleinerer Teil der Stiftungen hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Besondere zu fördern: Begabungen, außergewöhnliche Leistungen oder wissenschaftliche Exzellenz. Hier treten die Stiftungen nicht in Konkurrenz zum Staat. Der kann aus Gründen der Gerechtigkeit nicht viele Tausend Euro für die Ausbildung einer einzelnen talentierten Pianistin zahlen, wenn er Gleichaltrigen aus Kostengründen sogar eine Blockflöte verweigert. Der Staat neigt zwangsläufig zur Gleichmacherei. Stiftungen jedoch können das durchbrechen und das Herausragende ermöglichen. Dann sind sie eine Bereicherung für die Gesellschaft.
Doch die allermeisten Neugründungen betätigen sich am entgegen gesetzten Aufgabenspektrum der Stiftungsaktivität. »Soziale Zwecke« ist der mit weitem Abstand häufigste Stiftungsgrund: 59 Sie wollen »etwas Gutes tun«, »Bedürftigen helfen«, »am liebsten was mit Kindern«.
Die Deutschlandkarte der Stiftungen zeigt eine deutliche Ballung in der unteren Hälfte, Tendenz leicht unten links. 60 In Baden-Württemberg und in Bayern leben besonders viele HNWI s, die reich genug zum Stiften sind. Die Bedürftigkeit ist jedoch exakt anders herum verteilt. Sie ist oben rechts am größten, in den neuen Bundesländern. Trotzdem hatten 92,5 Prozent aller Neugründungen im Jahre 2011 ihren Sitz in den alten Bundesländern. Stiftungsgelder landen also vor allem in der Nachbarschaft des Stifters, nicht in der Nachbarschaft der Bedürftigkeit.
Michael Schramm von Hauck & Aufhäuser kennt den Grund, warum die Stiftung oft ein Heimspiel wird: »So mancher will sich mit einer Stiftung unsterblich machen.« Dass die Stiftung gern als Mittel genutzt wird, seinen Reichtum in akzeptierter Form zu zeigen, sieht auch Ulrich Schneider so, der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: »Stiftungen wollen wahrgenommen
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