Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
Simulation echter Anteilnahme. Und sie sind ein starker Anreiz, sich keinen Job zu suchen. Die Stütze hat die Arbeit immer weiter aus dem Lebensfokus der Unterschicht verdrängt.
Arbeit bedeutet Geld und Teilhabe. Keine Arbeit bedeutet in Deutschland trotzdem Geld. Aber keine Teilhabe. Die Fürsorgepolitik des Staates konzentriert sich auf das Verteilen von Geld, doch sie verhindert die Teilhabe der Unterschicht.
Auch bei der Oberschicht setzt der Staat die falschen Anreize. Die Besatzung der Galeere BMW, Beschäftigte und Management, hat 2011 einen Rekordergewinn erarbeitet. Die Quandt-Erben im Hafen haben davon einen fetten Anteil für sich abgeschöpft. Die Besatzung muss von den erarbeiteten Gehältern die hohen Einkommenssteuern von bis zu 45 Prozent bezahlen. Bei den Vermögensgewinnen der Quandts begnügt das Finanzamt sich mit einem Steuersatz von pauschal 25 Prozent. Die Steuerpolitik bevorzugt das leistungslose Einkommen der Vermögenden und bestraft den Lohn der Arbeit. Wenn der Arbeitslohn mit höheren Abzügen belastet wird als die Vermögensprofite, dann vergrößert der Staat den Reichtumsabstand künstlich. Je mehr die Mittelschicht also leistet, umso größer wird der Abstand zur Eigentümerkaste, die den Ertrag abschöpft.
Die Reichen hören die Signale: Die deutsche Geldelite zieht sich immer mehr aus der mühevollen und hoch besteuerten Führungsarbeit in den Unternehmen zurück. Die typischen Mitglieder des deutschen Geldadels sind keine Unternehmensgründer – das waren ihre Väter oder Großväter. Sie sind auch immer seltener Nachfolger am Steuerstand des Familienunternehmens – zu anstrengend. Die typischen deutschen Reichen sind Anleger und Erben.
Die Politik hat mit ihren Entscheidungen die Absetzbewegungen beider Parallelgesellschaften nicht nur nicht verhindert, sondern gefördert. Mit Geld. Genauer: mit dem Geld der Mittelschicht.
Seit Jahrzehnten wachsen die Ausgaben für den Sozialstaat rasant. Die Sozialleistungsquote, also der Anteil des Bruttoinlandsproduktes ( BIP ), der für Soziales aufgewendet werden muss, ist seit 1970 um mehr als 40 Prozent gestiegen. 13 Heute liegt die Quote bei etwa einem Drittel des BIP . Die Entwicklung der Sozialleistungsquote zeigt: Die Bedürftigen wurden nicht lediglich am Wachstum des Wohlstandes in dieser Gesellschaft beteiligt. Ihr Anteil ist sogar prozentual deutlich gestiegen.
Wer bezahlt das? Nicht die Oberschicht. Der Beitrag, den die »Gewinnsteuern«, die typischen Steuern der Reichen, am gesamten Steueraufkommen haben, ist seit 1970 fast um die Hälfte geschrumpft. Gleichzeitig hat sich der Anteil, den die Mittelschicht an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben übernimmt, seit 1970 etwa verdoppelt. 14 Eine weitere Gemeinsamkeit von Oben und Unten: Sie ziehen immer mehr Geld aus der Mitte ab.
Darum gibt es tatsächlich Armut in Deutschland: die Armut der öffentlichen Haushalte. Besonders klamm sind die Kommunen, denn sie sind im Staatsgefüge für die Ausgestaltung des Sozialstaates zuständig. Zwischen 1992 und 2012 haben sich die Ausgaben der Kommunen für Soziales mehr als verdoppelt. 15 Sozialleistungen sind Pflichtaufgaben des Staates. Die Kommunen haben keine Wahl. Sie müssen zahlen, auch wenn ihre Einnahmen nicht annähernd die Ausgaben decken. Diesen Umstand macht sich das boomende Geschäftsfeld der Hilfsindustrie zunutze. Viele typische Unterschichtsviertel werden von professionellen Helfern durchforstet auf der Suche nach Menschen, denen sie auf Staatskosten »helfen« können. 16
Wenn die Kommunen schließlich die Honorare für die Helfer und die Transferzahlungen für die Bedürftigen überwiesen haben, sind die Kassen leer. Dann bleibt ihnen kein Geld mehr für die Instandhaltung der Schulen, der Straßen, der Rathäuser, der Schwimmbäder oder den Unterhalt der Bibliotheken. Die Kämmerer sind gezwungen das Volkseigentum, das Generationen aufgebaut haben, sehenden Auges verrotten zu lassen. Die Sozialkosten drohen die Infrastruktur aufzufressen.
Oben und Unten treiben den Staat in die Verschuldung
Die Folge ist eine massive Verschuldung der Städte und Gemeinden. Städte wie Kaiserslautern, Ludwigshafen oder Oberhausen sind bereits mit annähernd 10000 Euro pro Kopf verschuldet. 17 Das Missverhältnis von Verschuldung zur Wirtschaftsleistung erreicht mancherorts griechische Dimensionen. Und genau wie bei Griechenland wird das Rating der Kommunen immer weiter herabgestuft. Inzwischen gewähren die Banken
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