Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
die Großbanken Privilegien aus zwei Welten: Gewinne wie im Kapitalismus, Sicherheit wie im Kommunismus.
»Too Big to Fail« heißt also »survival of the fattest«. Wer überleben will, muss Gewicht zulegen. Beatrice Weber di Mauro, Ökonomieprofessorin und Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung warnt daher vor »massiven Verzerrungen und Fehlanreizen im Finanzsektor«. In den Staatsgarantien sieht die Wirtschaftsweise einen Anreiz zu übermäßigem Wachstum. »Das Problem ist, dass die Gläubiger der systemrelevanten Finanzinstitute dies wissen, dass sie implizit eine Garantie durch den Staat genießen und dass diese wie eine Subvention wirkt.« 39
Eigentlich war es das erklärte Ziel der Regierungen, ein globales Regelwerk zu schaffen, um die bedrohliche Größe der Superbanken zu reduzieren. Aus wenigen Großbanken sollten viele kleine werden. Doch das Gegenteil ist geschehen. Die fünf Wirtschaftsweisen zeigen dies in ihrem Jahresgutachten 2011/2012. 40 Sie setzen die zehn größten Banken der Welt in Relation zu den 1000 größten. 2007, zu Beginn der Bankenkrise, verfügten die Top Ten über 19 Prozent der Bilanzsumme der größten 1000. Im Jahre 2009 ist ihr Anteil nicht wie beabsichtigt gesunken, sondern auf 26 Prozent emporgeschnellt. Der Sachverständigenrat warnt, es gebe noch immer »kein effektives Aufsicht- und Insolvenzregime für systemrelevante Finanzinstitute«.
Sozialstaat bedeutet: Die Starken helfen den Schwachen. In der Bankenkrise ist es genau anders herum: Die Steuerzahler müssen die gigantischen Vermögen des reichsten einen Prozents retten. Wer sind die Steuerzahler? Nicht die Oberschicht.
Die Wettspiele der Geldelite bedrohen die gesamte Volkswirtschaft, dennoch verlangt das Finanzamt von den vermögenden Zockern nur einen symbolischen Steuersatz. Die Kapitalertragssteuer hat darum nur einen Anteil von 2,7 Prozent am gesamten Steueraufkommen. Schon die Tabaksteuer bringt mit 2,8 Prozent dem Finanzminister mehr Geld in die Staatskasse. 41 In den vergangenen Jahrzehnten haben die verschiedenen Bundesregierungen die besitzende Klasse mit großzügigen Steuergeschenken verwöhnt. Die »Gewinnsteuern«, die typischen Steuern der Reichen, trugen 1960 noch zu 35 Prozent zu den Staatseinnahmen bei. Die »Massensteuern« (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Lohnsteuer), die von der Masse der Gesellschaft aufgebracht werden, lagen damals bei 38 Prozent. Bis 2010 ist der Anteil der »Gewinnsteuern« auf unter 20 Prozent geschrumpft, während sich die »Massensteuern« mit 71 Prozent fast verdoppelt haben. 42
Die Oberschicht überlässt die Finanzierung des Staates weitgehend der Mittelschicht. Mit dem Geld, das der Fiskus vor allem den normalen Arbeitnehmern abzieht, werden die Schäden ausgeglichen, die von der Geldelite und der Geldindustrie verursacht wurden. Die Schwachen retten die Stärksten.
Demokratie bedeutet: Alle Macht geht vom Volk aus. Der Souverän hat jedoch eine mächtige Konkurrenz bekommen: die Banken. Drei Viertel der Deutschen wünschen sich eine stärkere Regulierung der Finanzbranche. Aber genauso viele glauben, dass es nicht so kommen wird. 73 Prozent der Bürger sind überzeugt, dass Banken inzwischen mehr Einfluss haben als gewählte Politiker. 43 Sie haben Recht. Die Regierungen der G20-Staaten haben sich dazu verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um die bedrohlich großen Banken zu verkleinern. Die betreffenden Finanzinstitute hat das nicht beeindruckt. Allein in den ersten beiden Jahren der Bankenkrise haben die zehn größten Banken der Welt ihren Anteil am weltweiten Geldgeschäft um mehr als ein Drittel steigern können. 44
Zu den Regulierungen, die von den Bürgern gefordert werden, gehört auch das Trennbankensystem, die Trennung der Investmentbanken von den normalen Geschäftsbanken. Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung verlangt dieses Regulierungsinstrument: »Mit dieser organisatorischen Aufteilung der Bankgeschäfte sollen diejenigen Geschäftsbereiche isoliert werden, deren Fortbestand lebensnotwendig für die Volkswirtschaft im Allgemeinen und die privaten Bankkunden im Besonderen ist.« 45 Doch die Wirtschaftsweisen sind realistisch. In ihrem Gutachten gehen sie davon aus, dass den nationalen Regierungen die Kraft fehlen wird, diese Regelung durchzusetzen.
Gleiches gilt auch für die Erhöhung der Eigenkapitalquoten der Finanzinstitute. Schon bevor die Finanzindustrie 2008 kollabierte, hatten die Regierungen der G20-Staaten
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