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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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überzeugte, die Art und Weise, wie sie die Lippen schürzte, die Muskeln starr vor Anstrengung. Ich vertraute ihr zwar immer noch nicht, dennoch musste ich es versuchen. Es war eine Gelegenheit.
    Ich packte den Dolch mit festem Griff, trat vor, erklommdie Stufen und beobachtete sie argwöhnisch, als ich näher trat. Ich sah, dass Schweiß auf ihrer Stirn glänzte und auch den Stoff ihres Kleides durchtränkte. Sie hatte Mühe, die Herrschaft über sich zu wahren. Sie hob den Kopf an, entblößte den blassen Hals, atmete stoßweise durch die Nase und schloss die Augen.
    Ich trat dicht hinter sie, hielt dann aber inne.
    Sie war zu groß, mindestens einen Fuß größer als ich. So konnte ich ihren Hals nicht erreichen.
    Ich stellte mich so hin, dass ich ihr den Dolch tief und rasch in den Rücken stoßen konnte, doch sie musste mein Problem erkannt haben, denn seufzend packte sie ihr Kleid mit beiden Händen und kniete sich vor mir hin. Den Rücken gestreckt, warf sie den Kopf zurück, um ihr Haar nach hinten zu schleudern und den Hals erneut zu entblößen.
    »Tu es!«, forderte sie mich auf. »Rasch!« Die Anspannung in ihrer Stimme war unüberhörbar, als ein Pochen vom Haupteingang ertönte.
    Die Wachen befanden sich mittlerweile an zwei Eingängen und versuchten, die Tür mit einer Ramme aufzubrechen.
    »Rasch!«, stieß die Regentin hervor.
    Ich beugte mich vor, legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu stützen, und setzte mit der anderen die Schneide des Dolches an ihrem Hals an. Ich spürte ihre Wärme durch den Stoff ihres Kleides, konnte die Stickerei fühlen. Ihr Puls schauderte durch die Klinge des Dolches in meiner Hand.
    Ich holte kurz Luft und spannte die Muskeln in meinem Arm, dann jedoch zögerte ich.
    Es war falsch. Zu vorsätzlich. Zu beeinflusst.
    Es fühlte sich an wie die Augen einer Katze, die reglos und kalt beobachtete, wie die Maus zu zucken beginnt, die Muskeln zur rasenden Flucht spannte.
    Es fühlte sich an wie das Betreten der Gasse, als ich Alendor gefolgt war. Ein Hinterhalt.
    Jäh durchzuckte mich Angst, und ich erstarrte. Meine Muskelnzogen sich zusammen, bereit, den Dolch in einer flüssigen Bewegung über ihre Kehle zu ziehen.
    Aber ich war zu langsam, handelte zu spät. Die Katze sprang.
    Eine Hand senkte sich herab und umklammerte mein Handgelenk so kraftvoll, dass ich spürte, wie mein Unterarm taub wurde. Gleichzeitig erschauderte die Regentin im Griff meiner anderen Hand, als ihre Muskeln sich spannten.
    Eine Falle! , dachte ich einen flüchtigen Lidschlag lang und spürte, wie Grauen sich in mir ausbreitete wie Eis in meinem Fleisch.
    Dann wand die Regentin meinen Arm mit dem Dolch nach außen und von sich weg, wirbelte ihn mit so viel Kraft herum, dass ich aus dem Gleichgewicht kam. Japsend taumelte ich vorwärts gegen ihren Rücken. Der Dolch entglitt meinem Griff. Klirrend landete er auf dem Boden und schlitterte die drei Stufen zum Gehweg hinab.
    Das Grauen ging in Panik über. Ich erstarrte.
    Die Regentin griff mit der freien Hand über die Schulter und packte mich. Das Hämmern der Ramme dröhnte wie Donnerschläge durch den Saal. Holz splitterte ächzend. Metall kreischte. Die Regentin wirbelte mich vor sich, verrenkte mir den Arm. Sie verlagerte den Griff um mein Handgelenk, drehte es mir jäh auf den Rücken und zog mich dicht an sich, bis sich unsere Stirnen berührten. Ihr Schweiß troff auf meine Wange, ihr gewelltes schwarzes Haar kitzelte mich am Hals. Sie roch nach Wein und Käse.
    »Noch nicht ganz, kleine Jägerin«, stieß sie mit kehliger Stimme hervor. »Nicht, ehe wir es müssen. Nun, da wir deinen Dolch losgeworden sind, gibt es noch einen anderen Weg.«
    Ich sah ihr in die Augen, noch immer starr vor Schreck, die Muskeln vor Panik wie gelähmt.
    Sie hatte die Herrschaft über sich selbst niemals verloren. Die wahre Regentin hielt den Wahnsinn immer noch im Zaum.
    Ein scharfer, knirschender Laut erfüllte den Saal, und dieRegentin wich zurück, als etwas Schweres, Metallenes auf den Boden prallte. Der Lärm von draußen auf dem Gang wurde schlagartig lauter: Triumphgeschrei, ein gebrüllter Befehl.
    Ich erkannte die Stimme. Sie gehörte Baill.
    »Es bleibt nicht mehr viel Zeit«, murmelte die Regentin; dann wandte sie sich wieder mir zu. Mit einem schmalen Lächeln schleuderte sie mich die Stufen hinunter auf den Gehweg, in Richtung des Thrones und weg von meinem Dolch.
    Ich schlug hart auf, da ich den Sturz nicht beeinflussen konnte. Doch als ich

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