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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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auf den Steinplatten aufprallte, löste sich die Panik, die meine Muskeln verkrampft hatte, und wurde durch Wut ersetzt.
    Sie hatte mich überlistet. Und nun hatte ich keine Waffe.
    Ich knurrte, kam in geduckter Haltung auf die Füße und sah, wie die Regentin langsam, fast träge die Stufen herunterschritt. Hinter ihr lag mein Dolch auf dem Boden. Weiter unten im Raum sah ich die Angel eines der großen Portale aufblitzen, dessen unterer Teil immer mehr zersplitterte.
    Die Tür erzitterte abermals, wölbte sich nach innen. Die Männer draußen brüllten.
    Ich richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf die Regentin. Ihre Miene war ernst und verkniffen. »Es ist Zeit, Varis.«
    Mein Blick zuckte zu meinem Dolch, der zu weit außer Reichweite lag, dann wieder zum Gesicht der Frau. Verzweiflung nagte an meinen Armen, an meiner Brust. Mein Atem ging stoßweise, und in meiner Kehle bildete die Wut einen heißen Klumpen.
    Zwischen mir und der Tür blieb die Regentin stehen. Der Geisterthron befand sich hinter mir.
    Ich handelte, ohne nachzudenken, da ich nicht sicher war, was sie vorhatte. Ich wusste lediglich, dass mir ohne den Dolch nur eine Verteidigung blieb: der Fluss.
    Ich tauchte unter seine Oberfläche und zog das Feuer so eng wie möglich um mich, als ich spürte, wie die Strömung michumhüllte, wie die Welt grau wurde, mich erstickte, mich ertränkte. Ich tauchte tiefer und noch tiefer, nutzte die Kraft meiner Wut, meiner Angst, bemerkte die Einzelheiten des Steins, der Tür, des Bodens, des Lichts, als zuerst alles waberte und dann klarer wurde. Die Geräusche der Ramme, der Männer im Gang vor den beiden Türen, der flackernden Flammen in den Ölschalen und an den Kerzenhaltern – dies alles vereinte sich im pulsierenden Hintergrundwind, den ich kannte, seit ich damals beinahe im Nymphenbrunnen ertrunken wäre.
    Einen Augenblick hielt mich der Fluss fest, wie er es immer getan hatte, warm und tröstlich wie die Umarmung einer Mutter.
    Dann stürzte jener andere Druck – der des Thrones – auf mich herab, ein tosendes Meer aus Geräuschen und Empfindungen. Ich schrie, und der Laut hallte durch den Raum; ich zog das Weiße Feuer als Schild gegen den Ansturm hoch. Aber der Druck, so mächtig, so dunkel, erstickte mich, drückte mich gegen den Steinboden der Halle. Granit presste sich mir in den Rücken. Ich spürte jede winzige Ritze in den abgenutzten Steinplatten wie eine Kluft, jedes Sandkörnchen wie einen Felsblock. Ich schrie abermals, als der Druck zunahm. Der Schrei brach ab, als mir der Atem aus der Brust gequetscht wurde.
    Und dann erkannte ich, dass mein Feuer Bestand hatte, dass es immer noch einen dünnen Schild zwischen mir und dem heulenden Druck dieser anderen Macht im Fluss bildete. Als ich versuchte, Luft zu holen, bildeten sich seltsame Punkte in meinem Sichtfeld. Mit aller Kraft stemmte ich den Schild des Feuers hoch, erst eine Haaresbreite, dann noch eine und noch eine, und schließlich einen Zoll. Ich keuchte durch die zusammengebissenen Zähne hindurch, sog verzweifelt Luft ein, drückte noch angestrengter, bäumte mich auf gegen die Kräfte, die Wirbel und die Strömungen, die rings um mich in einem wilden Chaos tobten. Ich stemmte das Feuer empor, bis ich mich endlich aufsetzen und auf die Fersen kauern konnte.
    Schwer atmend schaute ich zur Regentin auf. Meine Wutwar entfesselt, zuckte und spuckte in mir. Nun hatte ich vor, sie zu töten, ohne Zögern und ohne Zweifel.
    Sie war ein paar Schritte vor mir stehen geblieben. Hinter ihr erzitterte abermals die Tür, doch der Lärm wurde in den Hintergrund gedrängt, wurde von den tobenden Stimmen, die ich außerhalb des Feuers hielt, so sehr gedämpft, dass er kaum zu hören war.
    Die Regentin runzelte die Stirn. Ihre Hände hingen an den Seiten herab.
    Ich ließ ihr keine Gelegenheit, nachzudenken oder zu handeln. Wie ich es bei dem Bärtigen auf der Straße getan hatte, zog ich so viel vom Fluss, wie ich nur konnte, so eng es ging an meine Brust, verdichtete es und schleuderte es mit wilder Entschlossenheit gegen die Regentin.
    Sie hob beiläufig einen Arm und streckte mir die geöffnete Handfläche entgegen.
    Die harte Kugel, die ich gegen sie geschleudert hatte, prallte eine halbe Armlänge von ihrer Hand entfernt gegen eine unsichtbare Wand, wurde zurückgestoßen, schnellte auf mich zu und traf mich mit schrecklicher Wucht. Ich schnappte vor Schmerz und Erstaunen nach Luft und landete hart auf dem Boden, prallte gegen die erste Stufe

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