DIE ASSASSINE
des Podiums, auf dem der Thron stand.
Eine kalte Welle nackter Angst durchflutete mich, mähte den Zorn nieder wie eine Sichel.
Die Regentin wusste vom Fluss, konnte ihn ebenso verwenden wie ich.
Ich leckte über etwas Warmes an meinem Mundwinkel und schmeckte Blut. Ohne darauf zu achten, verengte ich die Augen, bündelte die Aufmerksamkeit durch die Schmerzen in meiner Brust und den Geschmack von Blut hindurch auf den Bereich vor der Hand der Regentin.
Ich konnte Kraftlinien erkennen, die fast unsichtbar und so fein und so eng gewoben waren, dass sie mit den rohen Kräftendes Flusses rings um die Regentin zu verschmelzen schienen. Die Kräfte bildeten eine feste Wand.
Die geballte Energie, die ich auf sie geschleudert hatte, wirkte plötzlich lächerlich, ja kindisch.
»Was ist das?«, fragte die Regentin leise und kam näher. Ihr Tonfall war hart und gebieterisch. »Was ist das um dich herum? Es fühlt sich vertraut an …«
Ich wich zur letzten Stufe hinauf zurück, doch die Regentin schritt weiter heran. Die fein gesponnene Wand, die sie beschützte, bewegte sich mit ihr. Ich spürte den Geisterthron im Rücken. Er glich einem Strudel von Kräften, weiß und lodernd, und war der Kern des Drucks, der versucht hatte, mich zu überwältigen, und der immer noch gegen den mich schützenden Schild des Weißen Feuers brandete.
Die Regentin hielt inne. Die Mauer der Kraft um sie befand sich wenige Zoll vor mir. Ich konnte nicht weiter zurückweichen. Der Thron versperrte mir den Weg.
Die Regentin starrte mich an. »Was ist das?«, fragte sie mit einer Stimme, so hart wie Stein.
Ich antwortete nicht. Mein Blick war verschleiert, meine Wut zurückgekehrt. Ich schaute zu meinem Dolch, der sich deutlich im Fluss abzeichnete, jedoch zu weit entfernt war, um ihn zu ergreifen. Dann blickte ich wieder auf die Regentin.
Einen Moment lang rührten wir uns beide nicht. Unser Atmen war das einzige Geräusch. Dann dröhnte irgendwo im Hintergrund ein weiterer, von Knirschen begleiteter Knall durch den Saal, gefolgt von einem lauten Klirren. Kraftwellen breiteten sich durch den Steinboden die Halle entlang zum Podium und zum Thron aus, als sich einer der großen Türflügel aus der letzten Angel löste und zu Boden krachte. Brüllende Männer drängten in den Saal. Ich konnte den Stahl ihrer Klingen und den Farbton ihrer Rüstungen schmecken. Ich atmete ihren Schweiß, ihre Angst, ihre Verwirrung ein, als sie innehielten und auf die Regentin und mich auf dem Podium starrten. Ich spürteden Luftzug, als sie beiseite traten, um Baill und Avrell an sich vorbei in den Saal zu lassen. Doch alles war gedämpft, stumpf und flach.
Es zählte nur die Regentin. Ihre Augen, ihr Wille, ihre Absicht.
Stumm beobachtete sie mich.
Dann straffte sich ihr Mund. »Schon gut. Es spielt keine Rolle.«
Damit streckte sie den Arm aus, und ihre offene Handfläche verwandelte sich in einen klauenartigen Griff. Die Wand, mit der sie sich geschützt hatte, verflüchtigte sich. Sie packte mich am Hemd über der Brust, hob mich hoch und stieß mich rückwärts auf den Thron.
Einen Lidschlag lang stand die Zeit still.
Die Regentin trat einen Schritt zurück. Niemand rührte sich. Der Thron unter mir verzerrte sich und waberte; das Gefühl sandte eine fiebrige Hitze durch meine Haut, ließ sie kribbeln und schaudern und jucken vor Schweiß. Auch der Fluss blieb unverändert, und die Kraft darin strudelte.
Dann explodierte der Fluss.
Das Feuer loderte auf, züngelte hoch, um alles in Sicht zu verzehren, als die Wirbel grauer Energie, die einst der Fluss gewesen waren, sich schwärzten, verkohlten, zu einem Taumel purer Bewegung wurden, der sich nicht in Bilder, in etwas Sichtbares auflösen wollte. Der Thronsaal verschwand, und die Stimmen, die mich heimsuchten, seit ich den Palast betreten hatte, stürmten auf mich ein.
Während ich hinter dem Feuer kauerte, erkannte ich, dass es sich genau darum handelte: um Stimmen. Tausend Stimmen oder mehr, die allesamt brüllten, um sich Gehör zu verschaffen, die allesamt auf den Schild des Feuers einhämmerten und heulend meine Aufmerksamkeit forderten. Ein Mahlstrom wütenden Windes entstand, ein Sturm von einer solchen Gewalt, dass er das Feuer und damit auch mich zu überwältigen drohte.Und mit plötzlicher Gewissheit begriff ich, dass der Sturm mich ohne das Feuer zermalmt hätte.
Ich bäumte mich gegen die Kraft auf, hielt das Feuer fest und undurchdringlich aufrecht. Nach einer Weile erkannte ich,
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