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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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wäre. Er ist zu mächtig. Jede andere würde er töten. Er hat bereits einige getötet. Avrell hat es mit anderen versucht, die ebenfalls die Sicht besitzen, viele Male, aber der Thron hat sie alle überwältigt, hat sie zermalmt, vernichtet. Du aber hast, was die anderen nicht hatten: das Feuer, das dich beschützt.
    Ihre anfangs leise und ruhige Stimme war angespannt geworden.
    Ich kann sie nicht mehr lange zurückhalten, Varis. Ich spürte ein Branden auf der anderen Seite des Feuers. Die Stimme keuchte. Oh, ihr Götter. Ich kann nicht …
    Dann verlor sich die Stimme, wurde gewaltsam fortgerissen wie ein Blatt im Sturm. Ich streckte mich danach, versuchte, sie festzuhalten, und mir stockte der Atem.
    Gleichzeitig lief ein neuerliches Zittern durch das Feuer, sodass ich es festigen musste. Erstarrt stand ich da, fühlte mich mit einem Mal leer und verloren. Verlassen.
    Verzweiflung schwappte über mir zusammen. Ich war in meiner eigenen kleinen Nische gefangen.
    Dann dachte ich an die Regentin.
    Sie hatte mir eine Wahl geboten.
    Ich lauschte durch das Feuer auf die Stimmen. Tausende heulten, brabbelten. Ihr Lärm verstärkte sich, schwoll noch weiter an, als sie auf das Feuer einstürmten. Ich spürte, wie es nachzugeben begann. Sie wollten mich, brauchten mich. Ich fühlte ihr Ziehen, ihren Versuch, mich aufzusaugen und zu verzehren.
    Ich schauderte.
    Die Regentin töten oder den Thron besteigen.
    Es gab keine Wahl. Letztlich nicht. Nicht, wenn ich die Stimme retten konnte, die Frau, deren Hals bereits die Berührung meines Dolches gespürt hatte. Nicht, wenn ich gleichzeitig Amenkor retten konnte.
    Ich senkte den Kopf, seufzte tief und blickte in den schwarzen Mahlstrom, der den Geisterthron darstellte, die zahllosen Stimmen, die auf ihm gesessen hatten und zu ihm geworden waren. Tausende Stimmen, die mich verschlingen könnten wie all die anderen Frauen, die Avrell und Nathem vor mir auf den Thron zu setzen versucht hatten.
    Einen Augenblick hörte ich die Frauen schreien, so schrill und verzweifelt, dass ihre Stimmen ihnen die Kehlen zerrissen. Ich spürte, wie sie sich verkrampften, wie ihre Muskeln zuckten, sie verrenkten, verzerrten. Ich schmeckte ihr Blut, als sie sich auf die Zunge bissen, sich die eigenen Augen ausrissen, sich das eigene Gesicht zerkratzten.
    Dann holte ich tief Luft, fasste mich und ließ den Schilddes Feuers sinken, offenbarte mich dem Fluss und dem Thron völlig ungeschützt.
    Ich hatte nicht einmal Zeit, nach Luft zu schnappen. Der Thron stürzte sich auf mich und sog mich ein.
    Es war wie damals, als ich mit William die Schänke betreten hatte. Die Empfindungen – die Geräusche, die Anblicke, die Gerüche – waren überwältigend. Ich glaubte, zerschmettert zu werden, doch es war unendlich viel schlimmer. Stattdessen erfasste mich der Mahlstrom der Stimmen, wirbelte mich im Wind seines Lärms umher, drehte mich um und um, bis ich jedes Richtungsgefühl verlor. Mein Atem ging in kurzen Stößen und ich spürte, wie sich meine Brust verkrampfte, wie sich mir die Kehle zuschnürte.
    Und dann kamen die Bilder. Nur waren es mehr als bloß Bilder. Es waren Teile der Stimmen, Teile ihres Lebens.
    Und ich bezeugte sie nicht nur, ich wurde gezwungen, sie zu leben .

    Ein Schrei, und ich starrte durch einen breiten, runden Raum aus schwarzem Stein auf Silicia, ehe sie auf den Boden zusammenbrach und sich ein Rinnsal Blut aus ihrem Mund ergoss. Doch es war keine Zeit für Bedenken. Die Macht im Raum war zu gewaltig, bebte unter unserer Herrschaft. Ich zuckte zusammen, als sie mir einen Dolch blanken Hasses in die linke Seite rammte; die Schmerzen bohrten sich tief in mich, tief genug, um mich taumeln zu lassen, doch ich hielt ihnen stand. Mein Blick schnellte durch den Raum zu den fünf anderen, die bei mir waren und die beiden Throne in der Mitte umringten.
    Die Macht schwoll an, brandete höher, bedrückend und düster, und diejenigen von uns, die verblieben waren, richteten die Macht auf die Throne, bündelten sie, schwangen sie wie ein Schwert oder eine Streitaxt.
    Schweiß brach mir aus, und ein weiterer sengender Stich schoss meine Seite hinab. Ich schnappte nach Luft, spürte, wie sich meine Hände zu Fäusten ballten und mein Rücken sich wölbte, als jeder Muskel meines Körpers sich spannte. Aber ich zwang die Macht noch immer nieder, verdichtete sie, zwängte sie in den Granit der beiden Throne.
    Donner rollte durch den Raum, versetzte den Obsidianboden in Schwingung. Jemand

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