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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Bedrohung für ein vierzehnjähriges Mädchen darstellen könnte, das sich an eine Wand drückte, dreckverschmiert, mit zerlumpten Kleidern und dermaßen schmutzigem Haar, dass man die Farbe kaum erkennen konnte. Ein kleines Mädchen – viel zu klein für seine vierzehn Jahre und viel zu dürr, um Aufmerksamkeit zu erregen.
    Mit unbeteiligtem Blick wandte ich mich wieder der Mündung der schmalen Gasse zu, in der die Frau verschwunden war, doch es gab nichts zu sehen. Da waren nur Stille und Dunkelheit.
    Ich überquerte den Siel und bahnte mir dabei so geschickt einen Weg durch die Menge, dass ich niemanden berührte. Ich huschte in die schmale Gasse, drückte mich an die Mauer und duckte mich tief, bis meine Augen sich an die Düsternis gewöhnt hatten. Ich lauschte. Der Lärm von der Straße verblasste zu einem Hintergrundgeräusch, die Welt wurde grau …
    Dann, in der Stille, hörte ich den Klang von Schritten auf nassem Stein, rasch und regelmäßig. Ich vernahm das Rascheln von Kleidern, das Knarren von Bastgeflecht, als das Gewicht eines Korbes verlagert wurde. Die Schritte entfernten sich.
    In der schützenden Dunkelheit der Gasse schaute ich zurück zur Straße, beobachtete die Bewegungen dort, blinzelte ins Sonnenlicht. Niemand hatte gesehen, wie ich der Frau gefolgt war, nicht einmal der Gardist.
    Ich wandte mich von der Straße weg und glitt tiefer hinein in die Dunkelheit, in den Gestank von Unrat, Schimmel und menschlichen Ausscheidungen. Ich bewegte mich geräuschlos und mit kalter, hungriger Zielstrebigkeit. Mein leerer Magen verkrampfte sich; ich konnte nur an den Korb und an die Lebensmittel denken, die er enthalten mochte. Die Schritte der Frau schlurften nun über den schmutzigen Steinboden und platschten durch unsichtbare Pfützen. Ich atmete den Gestank der Gasse ein, konnte beinahe den Schweiß der Frau riechen. Meine Hand schloss sich um den Griff des Dolchs …
    Und die Schritte vor mir verlangsamten sich. Es schien, als würde die Frau sich mit einem Mal wachsam und vorsichtig bewegen.
    Ich hielt inne. Dann bewegte ich mich dicht an der Wand, eine Hand gegen die feuchten Lehmziegel gepresst.
    Vor mir traten Füße auf der Stelle. Die Kälte der Gasse nahmzu. Es war eine Kälte tief in der Brust, die sich wie das trockene Brennen von Raureif anfühlte.
    Mit einem Mal vernahm ich andere, schwerere Schritte und ein scharfes Einatmen. Dann schrie die Frau auf – ein Laut, der jäh abgewürgt wurde.
    Etwas Schweres fiel auf das Kopfsteinpflaster, gefolgt von einem rollenden Poltern und den Geräuschen eines Kampfes: raschelnde Kleider, schweres Atmen, ein grässliches Keuchen, erstickt und verzweifelt. Es hörte sich an wie das Keuchen des Mannes, den ich vor drei Jahren getötet hatte. Nur klangen diese Laute nicht nass und zäh, erstickt von Blut, sondern trocken und rasselnd.
    Ein Übelkeit erregender, fiebriger Schauder des Grauens lief mir über die Haut. Ich presste mich mit dem Rücken gegen die Lehmziegel und versuchte, nicht zu atmen. Die sengende Kälte, die in meiner Brust brannte, nahm zu und begann weiß zu lodern wie die Berührung des Feuers, das vor drei Jahren durch die Stadt gefegt war. Schweiß nässte meine Achselhöhlen und meine Brust und ließ mich abermals schaudern. Meine Hand umklammerte den Dolchgriff.
    Das Keuchen wurde leiser, träger. Dann drang ein angestrengtes Grunzen durch die Düsternis. Es schwoll kurz und jäh an, ehe es sich in einem zittrigen Seufzen auflöste. Fast wie ein Schluchzen. Der Laut ging in leises Atmen über. Dann war ein dumpfer Aufschlag zu vernehmen, schwerer noch als der erste, und völlige Stille breitete sich aus.
    Ich bemühte mich verzweifelt, so flach wie möglich zu atmen, während meine Hand den verschwitzten Dolchgriff umklammerte. Ohne darüber nachzudenken, hatte ich die Klinge ganz hervorgeholt, bereit zum Zustoßen.
    Doch niemand kam aus der Dunkelheit hervor. Nicht nach zwanzig flachen Atemzügen, nicht nach fünfzig.
    Mittlerweile war das frostige Feuer in meiner Brust erloschen.
    Ich entspannte mich, holte tief Luft und ging weiter. EinStreifen schwarzen Wassers tauchte auf, der in der Gassenmitte verlief. Ich hielt mich an der linken Mauerwand. Mit der einen Hand strich ich über die feuchten Ziegel, mit der anderen hielt ich den Dolch.
    Elf Schritte weiter fand ich den zur Seite gekippten Korb. Kartoffeln lagen auf dem Kopfsteinpflaster verstreut. Das Tuch, das sie verdeckt hatte, war fleckig vor Schmutz.
    Noch drei

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