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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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während er noch immer auf dem Kopfsteinpflaster lag, zu schwach, um sich aufzurappeln. »Jetzt nicht mehr«, sagte ich. »Bleib hier. Ich hole Erick.«
    »Warte!«, stieß er hervor, ehe ein heftiger Hustenanfall ihn schüttelte. Als ich an ihm vorbeiging, versuchte er, sich hochzustemmen, bekam jedoch kaum die Brust vom Boden, ehe er wieder zusammenbrach.
    Ich schenkte ihm keine Beachtung und war viel zu wütend, mich um ihn zu kümmern.

    Ich fand Erick am Nymphenbrunnen, wo er am Rand des Kreises stand. Es regnete noch immer. Erick trug einen Mantel, wie fast jeder, den ich so nahe am echten Amenkor draußen im Regen gesehen hatte; die Kapuze hatte er über den Kopf gezogen.
    Als ich mich näherte, richtete er sich auf. »Was ist geschehen?«
    »Tomas ist tot.«
    Er nickte. »Hast du ihn gekennzeichnet?«
    »Blutmal hat versucht, ihn zu töten.«
    Erick erstarrte. Durch den Regen, der von seiner Kapuze troff, sah ich, wie seine Miene sich verhärtete und seine Wangenmuskeln zuckten. »Zeig es mir«, forderte er mich auf.
    Ich führte ihn zurück zu der Gasse. Die Nacht brach an, und in den Schatten wurde es stockdunkel. Das Nieseln ließ nach und verebbte schließlich ganz. Die Wolken lichteten sich, zerfransten wie verrotteter Stoff. Der Mond ging auf. Die Luft roch frisch, und ich atmete tief ein.
    Morgen schon würde der Siel wieder stinken.
    In dem Augenblick, in dem ich die Gasse betrat, fiel mir auf, dass Tomas’ Leichnam bewegt worden war. Ich hielt inne. Erick blieb jäh hinter mir stehen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
    »Was ist?«
    Ich holte Luft, um zu antworten. Dann erblickte ich Blutmal.
    Er kauerte auf den Fersen an einer Wand, ein paar Schritte weiter unten in der Gasse, fast verborgen in der Dunkelheit. Als er uns sah, wandte er sich uns zu, das Gesicht verkniffen vor Wut.
    »Er war mein Opfer«, sagte er.
    Ich bewegte mich vorwärts und kniete mich neben Tomas’ Leichnam.
    Blutmal hatte ihn auf den Rücken gedreht und ihm das Gesicht zu einem blutigen Brei zerschlagen. Ein Ohr war beinahe abgerissen und baumelte über dem Kopfsteinpflaster. Blaue Flecken säumten den Hals, hatten sich aber nicht verdunkelt. Eine Seite des Kopfes war eingedrückt, als wäre dagegen getreten worden oder als hätte jemand den Schädel mit einem Lehmziegel zerschmettert.
    Und in die Stirn war der Geisterthron geritzt. Die Schnittewaren brutal ausgeführt worden und so tief, dass dabei der Knochen freigelegt worden war.
    Ich erstickte beinahe an meinem Zorn. Es war derselbe heiße Zorn wie damals, als ich in das Gesicht des Mannes in der Gasse abseits des Siels gestarrt hatte. Derselbe Zorn, den ich empfunden hatte, als ich den Geisterthron in Garrells Stirn ritzte.
    Ich schaute zu Blutmal und sah, wie er zurückkroch, die Augen geweitet. Ich stand auf und stieg über Tomas’ Leichnam hinweg.
    »Er war meins!«, spie Blutmal hervor, sprang jäh auf und schabte dabei mit dem Rücken über die Lehmziegelmauer.
    Ich hatte erst einen Schritt nach vorn gemacht, die Hand am Dolch, als Erick zwischen uns trat und mir die Hand auf die Schulter legte, sodass ich innehielt. Dann drehte er sich in Blutmals Richtung und kehrte mir den Rücken zu.
    »Hast du ihn getötet?«
    Blutmal zögerte. Seine Hand wanderte an seine Kehle. Der Bluterguss, den Tomas’ Umklammerung hinterlassen hatte, hatte sich bereits dunkel verfärbt – ein hässliches, tiefes Purpur, das im Mondlicht schwarz wirkte.
    »Er wollte mich umbringen«, gab Blutmal zurück.
    Erick ließ mich los und trat drohend einen Schritt vor. Blutmal schob sich weiter an der Wand entlang zurück.
    »Hast du ihn getötet?«
    Blutmal schleuderte mir einen hasserfüllten Blick zu. »Nein.«
    »Dann war er nicht dein Opfer!«, fuhr Erick ihn an und drehte sich um. Er musterte mich einen Augenblick, ehe er neben mich trat und hinunter auf Tomas’ Leiche starrte.
    Dann legte er die Stirn in Falten. Zorn verfinsterte seinen Blick, vermischt mit Zweifeln, als würde er überdenken, ob er Blutmal weiterhin einsetzen sollte. Er wusste, dass ich ein Opfer niemals so brutal geschlagen oder den Geisterthron so tief in seine Stirn geschnitten hätte.
    Ein Schauder eisiger Hoffnung durchlief die heiße Wut, die in meinem Innern loderte.
    »Warum hast du versucht, ihn zu töten?«, wollte Erick schließlich von Blutmal wissen. In seiner Stimme lagen nun keine Zweifel mehr, nur noch Zorn.
    Blutmal hatte sich ein wenig entspannt; nun versteifte er sich wieder. »Weil er mein

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