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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Opfer war …«
    Erick drehte sich um und schnitt Blutmal mit einem funkelnden Blick das Wort ab. »Nein. Ihr solltet ihn nur finden und mich dann holen.« Er setzte sich in Bewegung und streckte den Arm aus, als wollte er Blutmal mit einer Hand an die Kehle, doch im letzten Augenblick schlug er stattdessen die Handfläche gegen die Steinmauer rechts neben Blutmals Kopf.
    Blutmal zuckte zusammen, die Hand noch immer schützend an der Kehle.
    »Ihr sollt sie nur finden «, wiederholte Erick mit tiefer, zorniger Stimme. »Die Vollstreckung ist nicht eure Sache. Verstanden?«
    Blutmal schleuderte mir einen hasserfüllten Blick zu. Dann jedoch veränderte sich etwas tief in seinen Augen. Der finstere Ausdruck wurde schärfer, funkelnd und schneidend wie eine geschliffene Klinge.
    Den Blick noch immer auf mich geheftet, fragte er: »Die Regentin wollte ihn tot sehen, nicht wahr?«
    Erick trat zurück, die Stirn gerunzelt. »Ja.«
    Blutmal richtete den Blick fest auf Erick und sagte mit höhnischem Grinsen: »Dann spielt es ja keine Rolle, wer ihn tötet. Er war mein Opfer. Es war meine Entscheidung.«
    Erick blickte nachdenklich, als ihm seine eigenen Worte entgegengeschleudert wurden. Lange Zeit sagte er nichts. Die Luft zwischen ihm und Blutmal knisterte vor Spannung.
    Dann stieß Erick sich von der Wand ab. »Und du wärst dabei fast getötet worden.«
    Erick wandte sich ab, entließ Blutmal ohne ein weiteres Wortund hielt auf das Ende der Gasse zu. Ich konnte nicht glauben, dass er einfach ging. Bittere Enttäuschung überkam mich.
    Blutmal löste sich von der Wand, trat vor und nahm die Hand von seiner Kehle. »Er gehörte mir«, sagte er rau, während er Erick nachschaute.
    Der hielt noch einmal inne. Sein Rücken wirkte steif, als er sich umdrehte. Sein Blick suchte den meinen.
    In seinen Augen spiegelten sich Verwirrung und Unsicherheit, und seine Züge waren angespannt vor Zorn. Er wusste, dass Blutmal gefährlich war; ich konnte es in seinen Augen erkennen. Dennoch unternahm er nichts.
    Erick musste in meinem Gesicht gelesen haben, dass ich das Gefühl hatte, verraten worden zu sein, denn seine Schultern sanken herab. Dann senkte er den Blick, wandte sich ab und setzte wortlos den Weg zum Siel fort.
    Blutmal musterte mich mit selbstgefälligem Blick.
    Ein kalter, harter Stein aus blankem Hass verfestigte sich unter meinem Brustbein, als Blutmal sich umdrehte und mich mit Tomas’ Leiche in der regennassen Gasse zurückließ.
    Ich hätte es zulassen sollen, dass Tomas ihn tötete.

F ÜNFTES K APITEL
    Z ielstrebig bahnte ich mir den Weg zum Nymphenbrunnen und marschierte den Siel entlang, bis ich nur noch wenige Querstraßen vom Brunnen entfernt war. Dann bog ich in die Seitenstraßen und Gassen ab. Ich war früh dran – eine ganze Stunde vor Sonnenuntergang –, aber ich war nicht hier, um mich mit Erick zu treffen.
    Ich war hier, um ihm nachzustellen.
    Ich duckte mich in eine Gasse, kauerte mich hin und huschte dann von Schatten zu Schatten, bis ich eine Türnische erreichte, von der aus ich den runden Brunnen im Auge hatte. Verborgen in der Dunkelheit der Nische, konnte ich die Statue der Frau mit der Urne von hinten sehen. Ein letzter Hauch Sonnenlicht fiel auf ihren Kopf.
    Mit einem beunruhigten Stechen im Bauch spähte ich die Gasse entlang. Es war noch zu früh für die meisten Leute in der Gegend, zu Abend zu essen; früh genug, dass jemand mich bemerken könnte. In den Elendsvierteln würden alle Abstand wahren. Hier jedoch, näher am wahren Amenkor …
    Es war niemand in Sicht. Ich lehnte mich gegen das raue Holz der Tür und wartete.
    Das Sonnenlicht veränderte sich. Am Himmel loderten Wolken in einem tiefen Orange, die wie Feuer glühten. Das Licht schwand allmählich.
    Jemand kam zum Brunnen, denn ich hörte Schritte auf dem Kopfsteinpflaster. Ich versteifte mich, mein Herz schlug schneller. Doch es war nicht Erick: Eine Frau überquerte den freien Bereich vor dem Brunnen und betrat eine andere Straße, eine Holzschatulle an die Brust gedrückt.
    Ich sank gegen die Tür zurück, spürte prickelnden Schweiß auf der Stirn und zwischen den Schulterblättern.
    »Was tue ich hier eigentlich?«, murmelte ich vor mich hin. Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Die Anspannung ließ Übelkeit in mir aufsteigen.
    Aber ich wusste es. Ich schmeckte noch immer den Verrat der vergangenen Nacht wie Asche im Mund. Erick hätte Blutmal die Stirn bieten, hätte ihm drohen, ihn verstoßen müssen. Er hätte

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