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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Elendsvierteln gesehen hatte.
    »Hast mich ganz schön erschreckt, als du so plötzlich aus den Schatten geschlichen kamst«, brummte der ältere Mann, als Erik neben ihm stehen blieb. »Uns gewöhnlichen Gardisten brauchst du keine Angst einzujagen.«
    Erick runzelte die Stirn. »Ich wusste nicht, dass hier Wachen postiert sind.«
    Der Mann schnaubte abfällig. »Befehl von Hauptmann Baill … das heißt, von der Regentin. ›Sämtliche Zugänge zur eigentlichen Stadt sind ständig zu bewachen.‹ Außerdem lässt derHauptmann in der ganzen Stadt patrouillieren, und er hat die Nachtwache in der Nähe des Palasts verstärkt.«
    »Wozu?«, fragte Erick. »Wovor bewachen wir wen?«
    Der Gardist zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube, Baill weiß es selbst nicht. Aber wenn die Befehle von der Regentin kommen …«
    Erick verlagerte unbehaglich das Gewicht und warf einen Blick über den Fluss zum Palast.
    »Wenn ihr mich fragt«, meldete sich der zweite Gardist zu Wort, »hat die Regentin den Verstand verloren.«
    »Wir haben dich aber nicht gefragt!«, herrschte der erste Gardist ihn an. »Und jetzt nimm Haltung an! Halte die Pike wie ein Soldat, nicht wie ein Schwachsinniger!«
    Der zweite Gardist setzte eine finstere Miene auf, richtete sich jedoch auf, straffte den Rücken und wandte die Aufmerksamkeit der Straße zu. Der erste Gardist grunzte und warf einen raschen Blick auf Erick.
    In seinen Augen stand Angst. Verborgen zwar unter einem Ausdruck der Gefolgstreue, dennoch war es Angst.
    Ich spürte, wie mir ein Schauer über den Rücken lief. Die Regentin herrschte über die Stadt und … Nein, die Regentin war die Stadt. Sollte ihr etwas geschehen, wäre jeder davon betroffen.
    Selbst die Elendsviertel. Selbst Abschaum wie ich.
    »Kehrst du in den Palast zurück, um Bericht zu erstatten?«, erkundigte sich der erste Gardist.
    Erick nickte, die Aufmerksamkeit nach wie vor auf den anderen Gardisten gerichtet, die Miene nachdenklich. »Ja. Aber ich bin morgen zurück.«
    »War die Jagd gut?«
    Jede Gefühlsregung schwand aus Ericks Gesicht. Er blickte dem ersten Gardisten in die Augen.
    Der Mann wich jäh zurück und starrte aufs Kopfsteinpflaster der Straße. »Vergiss, dass ich gefragt habe«, sagte er mit dünner, brüchiger Stimme.
    Erick erwiderte nichts, ging nur um ihn herum und überquerte die Brücke.
    Der Gardist wartete einen Augenblick; dann wandte er sich seinem Gefährten zu und setzte eine finstere Miene auf.
    Den Rücken gegen die Steinmauer der Gasse gedrückt, zögerte ich. Ich konnte Erick weiter folgen, wenn ich wollte. Die beiden Gardisten wären leicht abzulenken. Außerdem beobachteten sie die Straße, nicht das Wasser.
    Aber ich war bereits zu weit außerhalb der Elendsviertel. Wenn ich das wahre Amenkor betrat, würde ich in völlig unbekannte Gefilde vordringen.
    Und dazu war ich nicht bereit.
    Kurz zauderte ich noch, dann schlich ich die Gasse zurück, hinein in die Dunkelheit, die mich umhüllte wie ein Mantel.
    Ich hatte zwar noch keine Antworten, aber ich hatte genug gesehen und gehört. Vorerst.

    Ich bewegte mich durch die Tiefen des Siels in Richtung der Tür des mehlweißen Mannes, als ich über den Leichnam stolperte. Der Tote war in eine dunkle Ecke der Gasse geworfen worden, wo diese eine Biegung nach links beschrieb. Sein Kopf ruhte auf einer Schulter und war leicht nach vorn gerollt. Seine Hände lagen in seinem Schoß, die Beine waren ausgestreckt, ein Knie nach außen gebogen. Er trug keine Schuhe, seine Hose war von Schlamm überzogen, und seine muskelbepackte Brust war nackt und blutverschmiert. Ich sah vier Stichwunden: zwei in der Brust, eine tief in der Seite, eine in der Bauchhöhle.
    Ich blieb stehen, als ich ihn erblickte, und ließ prüfend den Blick in beide Richtungen der Gasse wandern, die von Unrat und Steinbrocken übersät war. Eine Ratte huschte an einer Mauer entlang, ehe sie durch eine Ritze in den Lehmziegeln verschwand. Ansonsten war ich allein.
    Ich ging näher, kniete mich hin und beugte mich vor, um das Gesicht des Mannes ins Licht zu drehen. Aber ich wusste bereits, was ich vorfinden würde. Ich hatte es in dem Augenblick gewusst, als ich die Leiche gesehen hatte.
    Es war der Söldner, Blutmals und mein derzeitiges Opfer. Blaue Augen, braunes Haar, sonnengebräunte Haut, glatt rasiert, abgesehen von einem schmalen Bartstreifen auf beiden Seiten des Gesichts, der sich von den Ohren zum Kieferansatz erstreckte. Er roch nach Bier; der Gestank

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