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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Wasser schlug über meinem Kopf zusammen und erstickte mich beinahe. Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich, und ich rang nach Atem. Meine Schultern verspannten sich, und meine Hand krampfte sich in einem Todesgriff um den Dolch. Der Raum schloss sich um mich, als wollte er mich zerquetschen.
    Mit gewaltiger Willensanstrengung zwang ich das sich verdunkelnde Grau der Welt, Schärfe und Konturen anzunehmen. Ich spürte, wie der Fluss dagegenhielt, sich widersetzte, sich wehrte …
    Ich stöhnte, als der Fluss endlich nachgab und sich beruhigte. Dann musste ich husten, als wäre mir Wasser in die Lungen gedrungen, so wie damals, als ich im Alter von sechs Jahren aus dem gefüllten Becken des Nymphenbrunnens aufgetaucht war.
    William trat hinter mich. Ich spürte, wie das Licht schwand, als er die Tür schloss. Seine Miene war besorgt, und seine Hand bewegte sich, als wollte er mich berühren, doch irgendetwas, das er in meinem Gesicht sah, ließ ihn davon Abstand nehmen.
    »Hier drüben«, sagte er und führte mich durch die lärmende Menschenmenge zu einem Tisch in der Ecke, wo der Mann mit der roten Jacke saß. Ich fühlte mich durch die niedrige Decke und die Menschen ringsum eingeengt, doch als ich den Mann mit der roten Jacke sah, verflüchtigte sich dieses Gefühl.
    Der Duft von Orangen wurde so stark, dass er alles im Raum überlagerte, so durchdringend, dass meine Augen zu tränen begannen.
    Ich tauchte aus dem Fluss, und der Lärm der Schänke, die Gerüche kehrten jäh wieder. Doch in der wahren Welt erwiesen sie sich als nicht so überwältigend. In der wahren Welt waren sie nicht schlimmer als die der Menschenmengen auf dem Siel.
    William zwängte sich hinter den Tisch, an dem der Mann mit der roten Jacke saß. Er beugte sich hinunter, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, doch die Augen des Mannes lösten sich keinen Lidschlag von den meinen. Er beobachtete mich eingehend hinter dem Drahtgestell in seinem Gesicht. Als William endete, nickte er, und William trat zurück und stellte sich an seine Schulter, die Arme hinter dem Rücken.
    Der Mann mit der roten Jacke deutete auf den einzigen anderen Stuhl am Tisch. »Möchtest du dich setzen?«, fragte er. Seine Stimme klang sanft und hart zugleich, vorsichtig und argwöhnisch.
    Ich blickte auf den Stuhl, spürte die Bewegungen im Raum hinter mir, den steten Strom der Leute, und schüttelte den Kopf.
    Er nickte, als hätte er damit gerechnet. Dann fragte er mittieferer und sehr viel bedrohlicherer Stimme als zuvor: »Und weißt du, wer ich bin?«
    Abermals schüttelte ich den Kopf.
    Er beobachtete mich einen, zwei Atemzüge lang; dann wanderte sein Blick zu der Menge hinter mir. »Moll, bring uns einen Teller Schweinefleisch und Bier. Und Brot mit Butter! Genug für drei!«
    Ich drehte mich um und beobachtete, wie eine Frau in unsere Richtung nickte, ehe sie zu einer Tür eilte.
    Als ich mich wieder zum Tisch drehte, musterte der Mann mit der roten Jacke mich so eingehend wie zuvor, diesmal mit gerunzelter Stirn.
    »Wir haben gesehen, wie du unlängst diesen jungen Kerl getötet hast.«
    Es war eine nüchterne Aussage, und als er unter den Tisch griff, wanderte meine Hand unwillkürlich zu meinem Dolch. Aus meinem Bauch stieg ein kaltes Gefühl empor. Doch es war nicht das warnende Feuer. Diesmal war es Panik.
    Dann aber zog der Mann mit der roten Jacke ein Stück schwarzen Stoffes hervor, der fein gearbeitet war – zu fein für die Kleider, die die gewöhnlichen Leute am Kai trugen. Der Stoff war mit Schlamm und Blut beschmutzt.
    Es war der Mantel, den Criss hatte fallen lassen.
    »Ich habe William zu dem Leichnam zurückgeschickt. Er hat ihn ins Hafenbecken geworfen, hat mir aber den Mantel und das Buch gebracht. Falls man die Leiche findet, wird die Familie des Jungen denken, er habe sich zum Zeitvertreib in der Hafengegend herumgetrieben und sei in etwas verstrickt worden, von dem er die Finger hätte lassen sollen – Würfelspiele, zu viele hochgeistige Getränke, die falschen Leute – und dass er wegen seines Geldes getötet wurde.«
    »Was ist mit dem anderen? Mit dem, der weggerannt ist?«, fragte ich.
    Der Mann mit der roten Jacke verzog das Gesicht. »Ichglaube nicht, dass er Schwierigkeiten machen wird. Dann nämlich müsste er zugeben, dass er am Kai war und versucht hat … was immer er versucht hat. Und das halte ich für unwahrscheinlich.«
    Unbehaglich verlagerte ich das Gewicht. »Wer waren die Männer?«
    »Spielt das eine Rolle?« Als ich

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