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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Mann, der auf dem Karren hinter seiner Ware kniete. Er feilschte mit einer Frau um den Preis für ein paar Karotten, war jedoch wachsam: Seine Blicke zuckten zu jedem, der sich seinem Karren auf zwei Schritte näherte.
    Ich runzelte die Stirn. Mein Magen knurrte. Abermals betrachtete ich den Apfel, vermeinte einen Lidschlag lang, ihn tatsächlich schmecken zu können.
    Das Sonnenlicht wurde heller, das kleine Feld schärfer umrissen, die Kanten breiter. Weitere Menschen lösten sich aus dem Grau, und alles nahm klarere Formen an.
    Ich tauchte tiefer hinab, bis jene Dinge, denen mein Augenmerkgalt, sich klar abzeichneten und so scharf hervortraten, dass sie sich spröde anfühlten.
    Dann entspannte ich mich und wartete.
    Die Menge der Hafenarbeiter, Fischer und Seeleute strömte um den Karren herum. Der Obstverkäufer riss schließlich die fleischigen Arme hoch, empört über die Frau, und warf die Karotten zurück auf den Karren. Die Frau spuckte aufs Pflaster, bedachte den Verkäufer mit einer rüden Geste und zog beleidigt von dannen.
    Weitere Kundschaft kam. Immer noch beäugte der Obstverkäufer jeden, der sich näherte.
    Dann löste sich eine Frau mit drei kleinen Kindern im Schlepptau aus dem Grau.
    Ich richtete mich auf, und mit zielstrebiger Entschlossenheit stieß ich den Fluss an, drängte ihn vorwärts und sah, was geschehen würde … wie ich den Apfel bekommen könnte … wie ich mehr als nur den Apfel bekommen könnte …
    Ich leckte mir über die Lippen, als mein Blick zum Obstverkäufer huschte, zu dem sauertöpfisch dreinblickenden Mann, der gerade mit ihm feilschte, zu der Frau, die den Karren eben entdeckt hatte, und zu den drei Kindern. Der älteste Junge streckte ohne ersichtlichen Grund den Arm aus und stieß das mittlere, ein Mädchen, zu Boden. Ohne sich umzudrehen, klopfte die Mutter ihm auf den Hinterkopf und sagte: »Lass deine Schwester in Ruhe.« Ihre Stimme hörte sich müde und verbittert an. Der jüngste Knabe hing ein wenig zurück, außerhalb der Reichweite seiner Mutter und des älteren Bruders.
    Die Mutter schwenkte in Richtung des Karrens, und die drei Kinder folgten ihr.
    Ich stieß mich vom Pfeiler ab und setzte mich in Bewegung.
    Der Obstverkäufer schaute von dem Mann zur Mutter, dann hinunter zu den drei Kindern hinter ihr. Er runzelte die Stirn.
    »Wie viel für die Rüben?«, erkundigte sich die Mutter. DieTochter drängte sich vor sie; ihr Kinn reichte gerade bis zum Rand des Karrens. Sie streckte sich nach einer Rübe, konnte sie aber nicht ganz erreichen.
    Der Obstverkäufer öffnete den Mund, um zu antworten. Gleichzeitig griff der ältere Junge um seine Mutter herum und schlug seine Schwester. Ihr Arm, der sich nach den Rüben streckte, zuckte, sodass der ganze Haufen einstürzte.
    Ich hörte den Obstverkäufer brüllen, hörte die Mutter einen Fluch hervorstoßen, hörte die Tochter erst aufschreien und dann in heftige Schluchzer ausbrechen. Der Obstverkäufer rannte los, um die Rüben zu retten, und die Tochter wirbelte mit zornfunkelnden Augen herum. Alle wandten sich dem Jungen zu, den rollenden Rüben, dem Lärm.
    Ich war zwei Schritte von dem Apfel entfernt – von einem ganzen Arm voller Äpfeln –, und niemand beobachtete mich, als sich plötzlich eine Hand um meinen Oberarm schloss.
    Ich zuckte zusammen und fuhr herum, den Dolch in der Hand, den ich bereits gezogen hatte, noch ehe ich nachdenken konnte. Ich hätte den Mann getötet, doch unmittelbar bevor ich die Klinge nach vorn stieß, auf die Stelle gleich unter der Achselhöhle, roch ich Orangen. Der Duft kam nicht vom Karren des Obsthändlers, denn da waren keine Orangen. Nein, ich roch die Früchte in der grauen Welt des Flusses.
    Jäh bremste ich den Stoß. Der Dolch schlitzte das Hemd des Mannes über der Brust auf.
    Er schnappte nach Luft, ließ meinen Arm los und taumelte zurück. Entsetzt starrte er mich an. Dann streckte er die Hand vor, mit der er mich umklammert hatte, um mich von einem zweiten Angriff abzuhalten. Die andere Hand lag auf seiner Brust über dem Riss in seinem Hemd.
    Finster starrte ich ihn an. Ich erkannte, dass er grau war, harmlos, und wandte mich zum Gehen.
    »Nicht!«, rief er erstickt und trat vor. »Warte!«
    Ich blieb stehen, erstaunt, dass er nicht vor mir zurückschreckte,sondern vortrat, um mich aufzuhalten, obwohl ich ihn beinahe getötet hätte.
    Und weil ich noch immer den Duft von Orangen riechen konnte.
    Hinter mir hörte ich, wie die Mutter mit ihrem ältesten

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