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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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ich die Tür aufzog.
    Es war so schlimm wie beim letzten Mal. Musik, Gelächter, Stimmen, Rülpsen, klirrendes Geschirr, knarrende Bänke – alles stürmte auf mich ein, wogte heran wie eine Riesenwelle, die in die Bucht rollte und gegen die Dockpfeiler brandete. Gleichzeitig setzte die schlagartige Verwirrung ein, die mir die wimmelndeMenschenmasse und der durchdringende, alles verhüllende Gestank von Schweiß, Rauch und Bier vermittelten.
    Diesmal jedoch bot ich all meinen Willen auf und bündelte meine ganze Aufmerksamkeit, wühlte mich durch den Lärm und das Chaos.
    Und der gesamte Raum … verfestigte sich. Aus den sich bewegenden Schemen wurden Körper … Bedienstete, die sich mit hoch erhobenen Tabletts einen Weg zwischen der Kundschaft hindurch bahnten … Gäste, die einander auf die Rücken klopften oder Getränke in sich hineinschütteten. Ein Mann in knallig bunter Aufmachung schmetterte ein Lied, wobei er ein seltsames Instrument spielte. Zwei Frauen, die sich wie Freudenmädchen gekleidet hatten, aber keine waren, schlängelten sich durch die Ränder der Menge, zogen durchscheinende Gewänder hinter sich her und tanzten. Sämtliche Geräusche verschmolzen mit dem Hintergrundwind, wodurch der Vordergrund gespenstisch ruhig wurde. Und der Gestank wurde schwächer, als würde er zu Boden gedrückt; er war immer noch da, wen auch nicht mehr so stark.
    Ein Mann wankte auf mich zu, und ich trat beiseite, einen Lidschlag, ehe er gegen mich gestolpert wäre. Kurz huschte ein verärgerter Ausdruck über sein Gesicht; dann rempelte er den nächsten Mann an der Tür und stahl diesem die Geldbörse, bevor er ging.
    Durch mein Ausweichen war ich mitten in die Menge geraten. Ich stieß einen Fluch aus. Ich konnte nichts mehr sehen; die Leute standen zu dicht beisammen und versperrten mir die Sicht.
    Doch ich erhaschte den Duft von Orangen.
    Ich richtete alle Aufmerksamkeit darauf und schob mich durch die Menge, wobei ich kaum jemanden berührte. Je tiefer ich in den Raum vordrang, desto mehr wuchs das Gefühl der Dringlichkeit in meinem Innern. Ich erinnerte mich an das Messer des Mannes, als er durch die Tür der Schänke getretenwar, hatte sein träges Lächeln vor Augen, als er sich von der Mauer abgestoßen hatte.
    Ich gab den Versuch auf, unscheinbar zu bleiben, und kämpfte mich nun mit den Ellbogen vorwärts. Das kalte Gefühl in meinen Eingeweiden verwandelte sich in eine Ranke des Feuers.
    Schließlich stolperte ich aus dem Gedränge der Körper in einen offenen Bereich mit Tischen. Keuchend ergriff ich die Rückenlehne eines Stuhls und sah mich verzweifelt nach dem dürren Mann, nach Borund und nach William um.
    Borund erblickte ich fast sofort. Er saß an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes. Moll – die Frau, die ihn damals bedient hatte – stellte gerade einen Teller mit gebratenem Fleisch und Gemüse ab. William konnte ich nicht ausmachen. Ebenso wenig den dürren Mann.
    Ich tauchte tiefer in den Fluss, so tief wie möglich, dachte an Garrell und das Mädchen mit dem grünen Tuch. Dem Mädchen hatte ich nicht helfen können; ich war zu spät gekommen. Doch Borund konnte ich noch helfen.
    Ich suchte die Menge nach roten Tupfern ab. Dabei wurde mir plötzlich klar, dass ich draußen, als ich den dürren Mann gesehen hatte, nicht den Fluss verwendet hatte. Ich war zu entsetzt gewesen. Nun hatte ich keinen Anhaltspunkt, keine Fährte von ihm.
    Ich heftete den Blick auf einen roten Schemen, wäre um ein Haar losgestürzt, die Hand bereits am Dolch, doch ich erkannte, dass es sich nicht um den dürren Mann handelte. Es war jemand anders, der mich eingehend beobachtete, doch er war zu weit weg, als dass ich mir im Augenblick den Kopf über ihn zerbrochen hätte. Ich nahm einen weiteren roten Schemen wahr, und noch einen, doch keiner war der dürre Mann.
    Das Feuer züngelte höher, schwoll an und bewegte sich durch meine Brust auf meine Kehle zu. Der Geschmack von Orangen breitete sich in meinem Mund aus.
    Es gab keine weiteren roten Schemen in der Schänke. Der dürre Mann war nicht hier.
    Es sei denn …
    Ich hielt inne, als mir auffiel, dass alle Männer, die mir rot erschienen, die Aufmerksamkeit auf mich gerichtet hatten.
    Dem dürren Mann war ich einerlei. Er war hinter Borund her.
    Kurz zögerte ich, dann schloss ich die Augen, holte tief Luft und legte die Stirn in Falten, während ich alle Gedanken bündelte. Ich spürte das Anschwellen des Feuers in meiner Brust, spürte das Kribbeln in

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