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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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sich in meine Brust zurück und nistete sich in meinem Bauch ein.
    Dann packte mich jemand von hinten, zerrte mich auf die Beine. Andere ergriffen meine Arme. Ich ließ es zu, wehrte mich nur, als einer versuchte, mir den Dolch wegzunehmen. Ohne die Klinge zu berühren, wich er vor meinem finsteren Blick zurück.
    William kniete sich neben Borund und half ihm, sich aus seinem Mantel und dem Stuhl zu befreien. Fleischtunke befleckte die Vorderseite seines Mantels, Blut die Rückseite.
    Als er Borund auf die Beine half, fiel Williams Blick auf die blutüberströmte Leiche des dürren Mannes. Angewidert fuhr er zurück und starrte mich an.
    Der Ausdruck in seinen Augen – Angst, Abscheu, Empörung – schoss mir wie Eiswasser durch die Eingeweide.
    »Was ist hier los, um alles in der Welt?«, fauchte Borund, kaum dass er auf den Beinen war. Zornig funkelte er mich an, bis William sich zu ihm beugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
    Dann wanderte auch sein Blick zu dem Leichnam, und der zornige Ausdruck wich aus seinen Augen. Er wurde ganz ruhig, zeigte keinerlei Gefühlsregung und straffte den Rücken.
    Ein Mann drängte sich mit wütenden Blicken durch die Menge. »Was hat das alles zu bedeuten?«, wollte er wissen; dann sah auch er den Leichnam, mich und den Dolch. »Ruft die Garde.«
    »Die ist bereits hier«, meldete sich jemand mit rauer Stimme zu Wort, und zwei Gardisten schoben sich vor. »Was ist geschehen?«
    »Sie hat ihn getötet«, sagte jemand, und erst da wurde mir bewusst, dass Stille in die Schänke eingekehrt war. Keine Musik und kein Gelächter waren mehr zu hören, nur das Rascheln von Kleidung und gedämpftes Geflüster.
    »Ist das wahr?«, wollte einer der Gardisten von Borund wissen.
    Ich beobachtete Borund. Seit William ihm aufgeholfen hatte, hatte ich die Augen nicht von ihm gelöst. Er starrte mich eindringlich an, doch in seinen Zügen war nichts zu lesen.
    »Ja, das ist wahr«, antwortete er. Doch ehe jemand sich bewegen konnte, fügte er hinzu: »Aber sie ist meine Leibwächterin, und dieser Mann hat versucht, mich umzubringen.«

N EUNTES K APITEL
    E r hat versucht, mich zu töten!«, stieß Borund hervor. Ich wich vor der Gewalt in seiner Stimme zurück, wäre beinahe in die Dunkelheit der Gasse neben der Schänke gehuscht und verschwunden – ein instinktives Verhalten, das das Leben am Siel mich gelehrt hatte. Doch Borunds Wut zielte gar nicht auf mich und war obendrein von Entsetzen gefärbt. »In aller Öffentlichkeit, mitten in einer Schänke!«
    Wir hatten die Gaststube verlassen und standen nun vor der Tür. Borund hatte seine mit Blut und Soße verschmierte Jacke abgelegt, gefaltet und William ausgehändigt. William hielt mit bleichem, erschüttertem Antlitz und geweiteten Augen ein paar Schritte Abstand von Borund. Er sah aus wie damals auf dem Kai, als ich herumgewirbelt war und ihm beinahe die Brust aufgeschlitzt hätte. Das Grauen über meine Tat, das ich in der Schänke in seinen Augen gesehen hatte, war verschwunden.
    Er sah mich an. Ich hielt seinem Blick ungerührt stand, obwohl mir übel war.
    »Du bist verletzt«, stellte er fest. Seine Stimme hörte sich an, als käme sie aus der Ferne.
    Ich blickte an mir hinunter und betrachtete mit verzogenem Gesicht mein aufgerissenes Hemd und den Schnitt, der schon fast zu bluten aufgehört hatte. »Es geht mir gut. Das ist nichts. Kaum ein Kratzer.«
    Borund bemerkte nichts.
    Auf der Straße ging eine Gruppe lärmender Männer vorbei und hielt an der Tür inne. Borund bewegte sich weiter die Straße hinab, beobachtete die Gruppe argwöhnisch. Ein Teil des Schreckens begann zu verblassen, wurde von kühler Überlegung ersetzt. Ich konnte es trotz der Dunkelheit in seinen Augen erkennen.
    Borund blieb stumm, bis der Lärm und die Musik der Schänke hinter der Gruppe der Männer abgeschnitten wurde, als sie die Tür hinter sich schlossen. »Er hat nicht aus eigenem Antrieb gehandelt. Ich habe den Mann nie zuvor gesehen. Jemand muss ihn dafür bezahlt haben.«
    »Ich frage mich, wer ihn geschickt haben mag«, murmelte William.
    Borund wandte sich ihm zu. »Ja, das ist die Frage, nicht wahr?«
    »Es war der Händler in der grünen Jacke«, sagte ich.
    Borund drehte sich zu mir um. »Carl?«, fragte er ungläubig.
    »Der, mit dem Ihr gesprochen habt, bevor Ihr in die Schänke gegangen seid.« Ich konnte ihn deutlich vor mir sehen, das schmale Gesicht, die dunklen Augen, erfüllt von Hass. Grau vermischt mit Rot.
    Borund stand regungslos

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