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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Himmel war grau geworden, und die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs färbten die Wolken. Noch während ich mich vorarbeitete und Borund und William erblickte, die auf die Tür der Schänke zuhielten, verblasste das Sonnenlicht gänzlich und erstarb.
    Borund hielt an der Tür inne, um mit jemandem zu reden – nach der dunkelgrünen Jacke des Mannes zu urteilen, ein weiterer Händler. Die Anzahl der Goldstickereien an seinen Ärmeln entsprach etwa der an Borunds Jacke. Der Fremde wurde von zwei anderen Männern begleitet. Die Händler fassten sich an den Armen, ergriffen mit den Händen den Unterarm des jeweils anderen und nickten einander zu. William blieb einen Schritt zurück, während sie miteinander sprachen, doch seine Aufmerksamkeit galt dem Gespräch. Ich beobachtete, wie er prüfend den Blick über die Straße schweifen ließ und gleichzeitig wachsam die beiden Männer bei dem anderen Händler im Auge behielt.
    Vielleicht hatte ich Borunds Angebot überhastet ausgeschlagen, wurde mir plötzlich klar. Ich folgte ihm und William seitTagen und achtete sorgsam darauf, ob ich immer noch verfolgt wurde. Doch mir war nichts aufgefallen. Weder Borund noch William hatten etwas anderes getan, als die Docks und ihre Lagerhäuser zu überprüfen und sich am Pier mit anderen Händlern und Kapitänen zu treffen.
    Beinahe wäre ich aufgestanden, um die Straße zu überqueren und Williams Aufmerksamkeit zu erlangen, doch dann beendete Borund das Gespräch mit dem anderen Händler. Er drehte sich um und bedeutete William, in die Schänke zu gehen. Grölendes Gelächter drang aus dem Innern, als William die Tür öffnete. Borund nickte dem Händler mit dem grünen Mantel noch einmal zu; dann schloss sich die Tür und schnitt das Gelächter ab.
    Ich wollte mich gerade wieder niederlassen, um zu warten, bis Borund und William herauskämen, als der Händler im grünen Mantel sich umdrehte.
    Sein Lächeln war erloschen. Im letzten schwindenden Licht sah ich, wie die Augen des Mannes schmal wurden und seine Züge sich voller Hass verhärteten.
    Ein Schauder durchlief mich. Ohne nachzudenken, tauchte ich in den Fluss. Im Rauschen der Straße zeichnete der Händler sich fast grau ab, mit leichten Spuren von Rot an den Rändern.
    Wie Erick, als ich ihn zuletzt gesehen hatte.
    Jäh zog ich mich zurück, starrte mit geweiteten Augen den Händler auf der gegenüberliegenden Straßenseite an. Zum ersten Mal, seit ich Blutmal getötet hatte und zu den Docks geflüchtet war, fragte ich mich, was das bedeuten mochte. Bisher hatte kein Grund bestanden, sich den Kopf darüber zu zerbrechen; ich ging nicht davon aus, Erick je wiederzusehen, und außer ihm war ich noch niemandem mit dieser seltsamen Mischung von Rot und Grau begegnet.
    Bis jetzt.
    Ich bewegte mich vorwärts, musterte den Händler eingehend. Er hatte ein schmales Gesicht, das jedoch weich wirkte, nicht ausgezehrt. Seine Augen waren dunkel, doch wegen desdüsteren Lichts konnte ich nicht erkennen, welche Farbe sie hatten. Auch sein Haar war dunkel.
    Eine Zeit lang suchte er die Straße ab. Sein Blick kam zur Ruhe, als er einen dürren Mann erblickte, der nahe der Stelle, wo ich kauerte, an der Mauer lehnte. Der Händler presste die Lippen aufeinander, als dächte er nach; dann nickte er einmal in Richtung des dünnen Mannes, ehe er sich abwandte.
    Mit einer jähen Geste rief der Händler im grünen Mantel die beiden anderen Männer an seine Seite. Gemeinsam eilten sie mit schnellen Schritten von dannen.
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf den dürren Mann, der an der Mauer lehnte.
    Längere Zeit starrte er auf das Kopfsteinpflaster der Straße hinunter. Dann lächelte er und stieß sich von der Mauer ab, bewegte sich gemächlich auf die Schänke zu. Unterwegs zog er ein zierliches Messer vom Gürtel und schob es unter einen Ärmel seines Hemdes.
    Ehe ich etwas tun konnte, hatte der Mann bereits die Tür der Schänke geöffnet. Mittlerweile hatte sich Musik zu den Geräuschen der Stimmen gemischt, die herausdrangen. Dann schloss sich die Tür, und der Mann war drinnen.
    Bei Borund. Und William.
    An der Tür der Schänke zögerte ich, war mir der Tatsache kaum bewusst, dass ich die Straße im Laufschritt überquert hatte und tief in den Fluss getaucht war. Ich schauderte bei der Erinnerung daran, wie ich die Schänke das letzte Mal betreten hatte und wie die Menschen, Stimmen und Gerüche mich überwältigt hatten. Doch die Erinnerung hielt sich nur einen Atemzug lang, ehe

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