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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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da, als könnte er sich nicht bewegen, den Mund halb offen.
    Dann schwang die Tür der Schänke geräuschvoll auf, und die Gardisten kamen heraus. Ich zog mich unwillkürlich zurück, doch Borund straffte die Schultern, als sie in unsere Richtung nickten.
    Ihr Blick fiel kurz auf mich, und Argwohn erschien in ihren Augen, während sie den Mund zu einer schmalen Linie verkniffen. Wieder grub Angst sich mit scharfen Krallen in mein Inneres. Ich fragte mich, ob Erick ihnen von mir erzählt hatte. Ob er ihnen gesagt hatte, dass ich jemanden ermordet hatte und geflohen war und dass sie nach mir Ausschau halten sollten.
    Doch in den Augen der Gardisten stand nur allgemeines Misstrauen, als glaubten sie Borunds Geschichte immer noch nicht und wüssten, dass etwas daran nicht stimmte. Aber sie konnten nicht feststellen, was es war. Nicht, solange William die Aussage Borunds bestätigte. Niemand sonst in der Schänke hatte etwas gesehen oder war willens, etwas darüber zu sagen.
    Die Gardisten nickten erneut und stapften in Richtung desPalasts davon, dessen mit Öllichtern erhellte Mauern vom Hügel aus auf die Stadt herabblickten. Ich spürte, wie sich die Anspannung meiner Schultermuskeln löste.
    Als die Gardisten in den dunklen Straßen verschwanden, wandte Borund sich William zu. »Du hast schon einmal versucht, mich zu warnen. Wusstest du, dass es Carl war?«
    William schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wusste nur, dass es sich nicht mehr sicher anfühlt, durch Amenkor zu gehen, besonders nachts. Mir war nicht klar, dass eine so … persönliche Bedrohung besteht.«
    Borund grunzte. »Dann war es gut, dass du deine Bedenken vorgebracht hast, andernfalls wäre ich jetzt tot.«
    Er wandte sich mir zu, die Augen eindringlich und hart wie Stein. »Und du«, sagte er in sanftem Tonfall. »Es war ein Geschenk der Regentin, dass du da warst. Ein sehr glückliches Geschenk.«
    Ich straffte unter seinem Blick die Schultern und erwiderte: »Ich bin Euch gefolgt und habe Euch beobachtet.« Die Worte klangen rau und trotzig hervor.
    »Ich verstehe. Weißt du deshalb, dass es Carl war?«
    »Nachdem er mit Euch gesprochen hatte, gab er dem Mann, der Euch töten wollte, ein Zeichen. Dann ging er.«
    »Und du bist diesem Mann in die Schänke gefolgt? Um ihn davon abzuhalten, mich umzubringen?«
    Ich holte Luft, um zu antworten, dann schaute ich zu William. Er wirkte immer noch erschrocken, und sein Haar war noch wirrer als sonst. Zugleich schien er nun aufmerksamer zu sein, mehr bei der Sache.
    Anstelle einer Antwort nickte ich nur.
    Borunds Blick wurde so bohrend, dass ich die Augen niederschlug.
    Schließlich murmelte er: »Eine wahrhaft glückliche Fügung.« Als hätte er eine Entscheidung getroffen, rührte er sich, blickte kurz zu William und dann wieder zu mir. »Hast du dir meinAngebot noch einmal überlegt? Inzwischen bin ich gezwungen, William zuzustimmen. Eine Leibwache ist notwendig.«
    Steif stand ich da und zögerte einen Augenblick, ehe ich sagte: »Was soll ich tun?«

    Sie führten mich durch die Gegend des Kais, vorbei an den Lagerhäusern und hinauf in die Straßen unterhalb des Palasts, in die obere Stadt. Borund bot mir an, zu meinem Unterschlupf zurückzukehren, um zu holen, was immer ich wollte, aber ich hatte meinen Dolch und meine Kleider bei mir. In der kleinen Zuflucht, die ich mir aus den Krabbenfallen und der Persenning gebaut hatte, gab es sonst nichts. Jedenfalls nichts, was es wert gewesen wäre, dafür dorthin zurückzukehren.
    Wir bewegten uns rasch voran. William hielt sich an der Spitze, während ich die Nachhut bildete. Beide Männer wirkten angespannt und wachsam.
    Unterwegs gelangten wir am Ende der Brücke vorbei, über die ich den Fluss vom Siel nach Amenkor überquert hatte. Ich hielt inne, starrte über die Weite des Flusses und dachte an Erick, an den mehlweißen Mann, an den Nymphenbrunnen.
    Dann wandte ich mich ab. Borund und William hatten weiter vorne an der Straße angehalten und schauten zu mir zurück, doch keiner der beiden sagte etwas, als ich mich in Bewegung setzte, um zu ihnen aufzuschließen.
    Kutschen erschienen, außerdem Männer hoch zu Ross sowie zwei Gardisten. Jedes Mal verlangsamte Borund die Schritte, bis die Männer und Pferde an uns vorüber waren. Die Gebäude – anfangs noch dicht stehend an schmalen, dunklen Gassen – veränderten sich allmählich. Höfe tauchten auf, die nicht verwahrlost und verfallen waren wie am Siel, sondern mit geschlossenen Eisentoren und

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