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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Rest des gebutterten Brotes in den Mund stopfte.
    »Na ja, es geht so«, murmelte sie, sah mir in die Augen und fügte streng hinzu: »Vorerst. Sobald Borund mit dir fertig ist,führe ich dich durchs Haus.« Sie musterte mich aufmerksam; dann wurde der Ausdruck ihrer Augen sanfter, und sie entspannte sich.
    Irgendetwas verkrampfte sich in meiner Kehle, hart und heiß, und machte es mir beinahe unmöglich, den letzten Rest vom Brot zu schlucken. Ich würgte leicht und wandte mich ab, um zu husten, als Tränen mir die Sicht verschwimmen ließen.
    Als ich mich zurückdrehte, war Lizbeth bereits den halben Weg den Gang hinunter.
    Dann öffnete sich die Tür. Instinktiv griff ich nach dem Dolch und wich an die Wand zurück. Ich fing mich gerade noch rechtzeitig, als meine Hand den Stahl berührte.
    Es war William.
    »Borund wartet«, sagte er und sah über meine plötzliche Bewegung hinweg.
    Ich straffte die Schultern und folgte ihm, als er sich abwandte und in ein großes Zimmer ging. Ich hatte schon das Schlafgemach für groß gehalten, bis Lizbeth mich in die riesige Küche geführt hatte. Und dieser Raum wiederum war doppelt so groß wie die Küche. Die Wände wurden von Regalen gesäumt, auf denen kleinen Statuen, auf Hochglanz polierte Holzschatullen, geschliffene Steine, Vasen aus Glas, Kerzenhalter und Pflanzen standen. Ein großer Wandbehang hing über einem verrußten Steinkamin, in dem jedoch kein Feuer brannte. Auf einer Ablage über dem Kamin ruhte ein mächtiges Schwert, dreimal so lang wie mein Dolch, in einer verzierten Scheide. Auf dem Holzfußboden standen Stühle und kleine Tische. Die meisten Gegenstände stammten offensichtlich aus Amenkor; andere sahen fremdartig aus, mit seltsamen Mustern. In einer Ecke lehnte ein kunstvoll geschnitzter Stab; die tanzenden Gestalten darauf waren eindeutig Zorelli.
    Borund saß hinter einem großen Tisch in der Mitte des Zimmers, der über und über mit Papieren bedeckt war. William nahm links neben Borund hinter dem Schreibtisch Platz undzog einen Stapel geordneter Seiten zu sich heran. Er tunkte irgendetwas, das wie ein Stöckchen aussah, in ein kleines schwarzes Fass und kratzte damit über die Seiten.
    Ich hielt an der Tür inne, argwöhnisch ob der Größe des Raumes; dann aber zwang ich mich, an den Schreibtisch heranzutreten.
    Borund seufzte, als ich mich näherte. »Lass die Hälfte ins Lagerhaus bringen und schick den Rest weiter. Und das ganze Gewürz kommt nach Marlett.«
    »Aber dort will man es nicht«, sagte William, während er weiter kratzte. »Die wollen nicht das Gewürz, die wollen den Weizen.«
    »Den kriegen sie aber nicht. Nicht zu diesem Preis. Und sie werden nicht bereit sein, den Preis zu zahlen, den ich dafür nehmen würde . Also werden sie am Gewürz ersticken müssen.«
    »Und wenn sie es uns nicht abnehmen?«
    »Dann soll es lieber in unserem Lagerhaus in Marlett verrotten als hier. Hier haben wir nicht genug Platz.«
    »In Marlett auch nicht. Nicht für Gewürze.«
    »Dann lass es auf dem Schiff verrotten!«
    William starrte Borund stirnrunzelnd an und sagte seufzend: »Ist ja gut. Na schön.«
    Borund holte tief Luft. Seine Miene verfinsterte sich. Er blies die Luft aus und hob eine Hand an die Stirn, rieb sich die Schläfe und nahm das Drahtgestell ab. Aus der Nähe und in dem Licht, das durch die Fenster ins Zimmer fiel, sah ich Gläser im Gestell und begriff plötzlich, weshalb es im Sonnenlicht an den Docks so gefunkelt hatte. Weder in der Schänke noch auf den Straßen draußen hatte ich die Gläser bemerkt. Entweder war es zu dunkel gewesen, oder ich war zu weit weg.
    »Entschuldige, William. Ich glaube, der Mordversuch gestern hat mir mehr zugesetzt, als ich zugeben möchte.«
    »Ihr habt den ganzen Vormittag gearbeitet. Ihr solltet eine Pause einlegen.«
    Borund grunzte. »Wenn ich nur könnte! Aber alles ist viel schwieriger geworden. Wir haben bereits Mittsommer. Der Winter naht rasch, und wir haben noch nicht einmal die Hälfte von dem, was wir brauchen, in den Lagerhäusern.« Er schob das Papier auf dem Tisch zu einem unordentlichen Stapel zusammen; dann richtete er die Aufmerksamkeit auf mich.
    Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Oho! Wie ich sehe, hat Lizbeth Hand an dich gelegt. Du siehst wie ein ganz anderer Mensch aus.« Er verstummte, und ich verlagerte das Gewicht ein wenig nach vorn und spreizte die Arme weiter vom Körper ab. Meine Augen verengten sich, meine Züge wurden härter.
    »Ah«, murmelte er.

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