Die Assassinen-Prinzessin (German Edition)

aktiviert wird, sobald wir eine Lüge aussprechen wollen. Dieses Zentrum ist unter anderem dafür verantwortlich, dass beim Lügen unsere Stimme zittert, dass wir anfangen zu schwitzen oder dass wir uns sonst irgendwie unnatürlich verhalten. Obgleich man dieses Zentrum darauf trainieren kann, die Signale des Lügens weniger deutlich ausfallen zu lassen, kann man es dennoch unmöglich vollständig abschalten, wenn man eine Unwahrheit ausspricht. Diese untrennbare Verbindung zwischen einer gesprochenen Lüge und der Aktivierung des Gehirnzentrums macht sich der Wahrheitszauber zunutze. Indem er dieses spezielle Zentrum blockiert, macht er es einem Menschen unmöglich, etwas anderes als die Wahrheit zu erzählen."
    "Aber der Betroffene besitzt immer noch die Möglichkeit zu schweigen, oder?", fragte die Assassine neugierig.
    "Das ist natürlich wahr. Doch dafür muss er zunächst einmal wissen, was mit ihm geschehen ist. Ansonsten wird er bei dem Versuch, eine Lüge zu erzählen, unabsichtlich, aber unausweichlich die Wahrheit aussprechen."
    "Weshalb wollt Ihr mir diese beiden Zauber unbedingt beibringen, wenn Eure Gilde doch auch Schriftrollen und Artefakte verkauft? Warum gebt Ihr mir nicht einfach so etwas mit auf den Weg?"
    "Auf die Idee bin ich natürlich auch gekommen. Das Problem bei Artefakten ist jedoch, dass deren Herstellung nicht nur sehr anstrengend und zeitraubend, sondern auch streng reglementiert ist. Es existieren keine magischen Gegenstände, die jemanden auffinden oder zur Wahrheit zwingen können. Schriftrollen sind hingegen problematisch, weil ihr Wirkungsradius sehr begrenzt ist und sie nur ein einziges Mal verwendet werden können, bevor sie zu Staub zerfallen. Auf den Suchzauber bezogen könntest du mit einer Schriftrolle nicht einmal etwas finden, das sich am südlichen Rand von Dangverun befindet, wenn du selbst am nördlichen Ende der Stadt stehst, während du die magischen Worte aussprichst. Deshalb bleibt uns keine andere Möglichkeit, als dir die Zauber beizubringen. Und bevor wir noch mehr Zeit mit Reden oder irgendwelchen Erklärungen verschwenden, werden wir genau jetzt mit deinem Unterricht beginnen."
    *****
    "Ja, ich glaube, jetzt hast du es", äußerte Xardan ein paar Stunden später.
    Todesklinge waren diese Stunden wie eine Ewigkeit vorgekommen. Sie hatte ohne die kleinste Pause den Aufbau des menschlichen Gehirns auswendig lernen und sich Gegenstände in den Gemächern des Magiers bis ins kleinste Detail einprägen müssen. Unmittelbar im Anschluss hatte sie wieder und wieder an dem Zauberer selbst sowie den ihr bekannten Gegenständen ausprobieren müssen, wie die Zauber genau funktionieren. Deswegen dröhnte und schmerzte ihr Kopf mittlerweile ziemlich stark. Sie konnte ihren Schädel nicht einmal berühren, ohne sofort das Gefühl heraufzubeschwören, dass dieser jeden Augenblick zerspringen würde.
    "Den Suchzauber beherrscht du nun selbst bei Ermüdung und auf etwas größere Distanzen. Wenn du im Vollbesitz deiner körperlichen sowie geistigen Kräfte bist und dich richtig intensiv konzentrierst, bin ich mir sicher, dass dein Zauber nicht misslingen wird. Kommen wir abschließend ein allerletztes Mal zur Durchführung des Wahrheitszaubers."
    "Aber Xardan", setzte die Assassine zu einem Protest an. "Ich bin so ausgelaugt, dass ich nicht einmal mehr klar denken kann. Können wir es nicht gut sein lassen?"
    "Nein, das können wir nicht. Ich werde dich nicht gehen lassen, bevor du nicht auch diesen zweiten Zauber sicher beherrschst. Ich weiß, dass ich dir viel abverlange. Aber man kann nicht immer nur in einem vollkommen erholten Zustand Magie wirken. Es gibt Zeiten, da hängt das Leben eines Menschen davon ab, dass du deine Magie beherrschst – vollkommen egal wie erschöpft du in eben jenem Augenblick auch sein magst."
    "Aber …"
    "Nein, kein aber!", unterbrach Xardan seine Schülerin auf der Stelle. "Du hast eingewilligt, diese beiden Zauber von mir zu lernen. Jetzt kannst du keinen Rückzieher mehr machen, sondern musst durchhalten, bis ich mit dir fertig bin. Versuche es noch einmal!"
    Todesklinge seufzte sehr tief, machte sich allerdings bereit, ein hoffentlich wirklich allerletztes Mal für diese Nacht zu zaubern. Sie konzentrierte ihren schmerzenden Schädel darauf, sich den Kopf ihres Gegenübers und vor allem dessen Gehirn genau vorzustellen. Im nächsten Schritt fokussierte sie die Stelle, an der sich laut Xardan das Lügenzentrum befinden sollte. Jenes hatte