Die Assassinen-Prinzessin (German Edition)
an ihren Falken Tylanos: "Ich möchte, dass du heute Nacht absolut ungesehen bleibst, mein Freund. Vielleicht schaffe ich es irgendwie, zu Tarsin gebracht zu werden. Doch ich bezweifle, dass seine Entführer mich den Weg dorthin sehen lassen werden. Daher musst du heute meine Augen sein und dir alles genau einprägen. Hast du verstanden?"
Der Falke gab einen bestätigenden Schrei von sich.
"Sehr gut! Fliege voraus und warte am Höhlenausgang des Strandes auf mich! Aber lass dich auch dort nicht blicken!"
Tylanos erhob sich von dem kleinen Baum, der eigens für ihn in Altyras Gemächern stand, und flog durch ein offenstehendes Fenster nach draußen.
Endlich geht es los!
, sagte die junge Fürstin währenddessen in Gedanken zu sich selbst und begab sich in ihre geheime Kammer, wo sie im Gegensatz zur vergangenen Nacht ihre vollständige Ausrüstung mitsamt allen Waffen anlegte.
Als sie abschließend das schwarze Stofftuch um ihren Kopf gewickelt hatte, legte sie diesmal – ganz im Gegensatz zu den vergangenen Malen – willkürlich einen Schalter um, der sie auch in ihrem Denken vollständig zu der Assassine Todesklinge werden ließ. Denn bei dem, was ihr heute bevorstand, konnte sie sich keine schwesterlichen Gefühlsausbrüche oder dergleichen leisten. Sie musste kaltherzig sein – kaltherzig und absolut gefühllos.
Den geheimen Weg aus ihrer Burg hinaus bekam sie überhaupt nicht mit. Erst als sie die ersten Häuserreihen von Falkenstadt betrat, war Todesklinge mit ihrer Konzentration vollkommen bei der Sache. Sie kletterte bei der erstbesten Gelegenheit an einer Hausmauer nach oben und zog sich über die Regenrinne auf das Dach des Gebäudes. Von dort lief sie zielstrebig und in hohem Tempo zu dem Ort, wo sie dem mutmaßlichen Entführer des jungen Fürsten von Falkenau zuletzt begegnet war. An eben jenem Ort blieb sie abrupt stehen und wartete.
Es dauerte nicht sehr lange, bis der Möchtegern-Assassine am Rand ihres Blickfeldes auf den Dächern der Stadt erschien und sich ihr rasch näherte.
"Es freut mich, dass du meiner großzügigen Einladung nachgekommen bist", sprach er unmittelbar nach seiner Ankunft auf dem Dach ihrer letzten Begegnung sarkastisch, wobei er sich diesmal nicht mit höflichen Anredeformen aufhielt.
"Unterlasse solche Späße, wenn ich dir deine Zunge nicht herausschneiden soll!", entgegnete Todesklinge eiskalt. "Ich will nur zwei Dinge von dir wissen: Wo befindet sich der junge Fürst Tarsin und was verlangt dein Herr für seine Freilassung?"
"Du glaubst nicht etwa im Ernst, dass ich dir verraten werde, wo der Junge ist, oder? Das wäre fast so, als würde ich mich auf der Stelle selbst umbringen."
"Bevor ich nicht deinen Herrn persönlich getroffen und Tarsin gesehen habe, werde ich absolut gar nichts für deinen Herrn tun."
"Ich verstehe", äußerte der Mann nickend. "Mein Herr bereitete mich darauf vor, dass du dich nicht ganz so leicht zu einer Kooperation bereiterklären würdest. Vielleicht sollte ich einfach gehen und dir bei unserer nächsten Verabredung, die ich hiermit auf morgen Nacht festlege, einen Finger deines Bruders mitbringen. Oder vielleicht doch lieber ein Ohr?"
"Für jedes Körperteil, das du dem Jungen abschneidest, werde ich dir zwei abschneiden", entgegnete die Assassine unbeeindruckt. "Möchtest du das wirklich?"
"Wie wäre es dann, wenn ich dir verspreche, deinen Bruder ab sofort jeden Tag so lange zu verprügeln, bis er das Bewusstsein verliert? Sobald er wieder zu sich kommt, fange ich von vorne an. Und in jeder einzelnen Nacht werde ich dir sein Blut an meinen Fingern zeigen, bis du dich dazu bereiterklärst, meinem Herrn uneingeschränkt zu gehorchen."
"Für jedes noch so kleine Leid, das du dem Jungen zufügen wirst, verspreche ich dir, dass du mindestens doppelt so sehr leiden wirst."
"Wenn das so ist, werde ich jetzt besser gehen. Vielleicht bist du morgen kooperativer."
Als der Unbekannte sich umdrehte und verschwinden wollte, zog Todesklinge ihren Teleskopkampfstab und fegte ihm die Beine weg, sodass er hart auf den Ziegeln aufschlug. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, drückte sie ihm ein Ende ihrer Waffe gegen die Kehle.
"Du wirst nirgendwo hingehen!", zischte die Assassine hasserfüllt. "Zumindest nicht, bevor ich mit dir fertig bin. Du glaubst, du kannst dir alles erlauben, was du willst? Da muss ich dich enttäuschen. Ich werde dich jetzt so übel zurichten, dass nicht einmal dein Herr dich wiedererkennen wird. Und wenn du mich
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