Die Assistentin
Ein Politiker, der sich nicht nur weigerte, ihr Spiel mitzuspielen, sondern auch noch schwor, sie vor einer ohnehin schon aufgebrachten Öffentlichkeit bloßzustellen, war in der Tat eine Bedrohung. Es könnte ihn ruinieren. Es könnte ihn sogar umbringen.
Jerry Blair war ein gerissener Kojote.
Giganten-Killer Jack verfolgte den Geschäftsführer von TopCo, seit dieser vor fünfzehn Minuten sein Anwesen in Brentwood verlassen hatte. Zunächst schien Blair auf dem Santa Monica Freeway nach Downtown L.A. zu wollen, doch dann nahm er in letzter Sekunde die Ausfahrt Crenshaw, fuhr in westliche Richtung, bog noch ein paarmal ab und hielt schließlich auf dem Parkplatz vor einem Internetcafé.
Eigenartigerweise fuhr Blair eine Schrottkarre, statt seines BMW Z4 Roadster, einen tiefergelegten silberschwarzen Trans Am, der mindestens dreißig Jahre alt war und aussah, als hätte man ihn mit verbeulten Teilen vom Schrottplatz aufgemotzt. Deshalb hatte Jack den TopCo-Chef auch beinahe verpasst, als er durch das Tor des großen Grundstücks gerast war.
Außerdem hatte Blair sich verkleidet. Er war dafür bekannt, dass er stets korrekt gekleidet war und eine Sonnenbrille trug, selbst in geschlossenen Räumen. Doch heute steckte er in einem echten Rapper-Outfit, einem ausgeleierten Jogginganzug mit breitem Stirnband. Die Sonnenbrille fehlte. Jack wäre nicht überrascht gewesen, auch noch Goldkettchen zu entdecken.
Jetzt benutzte Blair einen der Computer des Cafés. Vermutlich tat er etwas, was er nicht von seinem persönlichen Gerät oder seinem Computer bei der Arbeit erledigen wollte. Jack lungerte in der Saftbar nebenan herum, beobachtete Blair durch die Fenster und entwickelte eine Strategie, wie sich Blairs Spuren im Netz verfolgen lassen würden. Es würde nicht lange dauern, aber dafür müsste man sofort an den Computer, sobald Blair dort fertig war und bevor sich irgendjemand anders einloggen konnte. Jack musste in dem Moment zur Stelle sein, wenn Blair aufstand, aber dann würde dieser vermutlich entwischen, während Jack im Café saß.
Jacks Chance kam, als Blair eine Toilettenpause machte. Blair hatte sich ausgeloggt, was vermutlich bedeutete, dass er gleich weiterfahren würde. Wenn Jack Glück hatte, würde die Zeit gerade reichen. Keine Minute später hatte Jack sich mit einer Kreditkarte auf dem Computer eingeloggt, startete den Browser und klickte auf einen Button in der Menüleiste. Ein Fenster mit den zuletzt besuchten Webseiten öffnete sich. Jack rief die erste auf und runzelte die Stirn. Blair hatte den Blog von Burton Carr gelesen.
Das Internettagebuch eines Politikers? Keine Pornoseite?
Jack überflog den Eintrag des Abgeordneten, in dem er Gott anflehte, ihn und seine Wähler nicht zu verlassen – und blickte gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Blair draußen auf seinen Wagen zuging. Zum Glück stand der Computer so, dass man von dem Platz aus jeden beobachten konnte, der das Café verließ, ohne selbst entdeckt zu werden. Jack machte sich nicht einmal die Mühe, sich auszuloggen, und verließ das Café. Die Kreditkartenrechnung konnte warten.
Blair lenkte den Schrottwagen zurück auf den Santa Monica Freeway, doch dann wendete er überraschend und nahm die Schnellstraße in Richtung Süden. Jetzt sah es so aus, als wollte er mitten ins tiefste Watts, jenes Viertel, in dem es in den Sechzigerjahren zu Rassenunruhen gekommen war. Dreißig Jahre später waren erneut schwere Kämpfe ausgebrochen, als weiße Polizisten den Schwarzen Rodney King grundlos verprügelt hatten und trotzdem freigesprochen worden waren. Versuchte man nicht gerade, diese Gegend hier zu sanieren? Doch davon entdeckte Jack keine Spur.
Solch ein Unterfangen wäre ohnehin zum Scheitern verurteilt.
Blairs Ziel war eine mit Graffiti übersäte Lagerhalle in einer Gegend, in der eine Gang das Sagen haben musste. Jack hatte wenig Lust, das Gebäude ohne den Schutz bewaffneter Begleiter zu betreten, aber das hier sah nach einer verdammt heißen Story aus.
Blair ließ den Trans Am in der Einfahrt stehen und betrat die Halle durch eine unverschlossene Tür. Er trug jetzt einen äußerst verdächtig wirkenden Koffer mit Zahlenschloss. Jack folgte ihm und stellte überrascht fest, dass das Innere des Gebäudes aufwendig saniert worden war. Durch große Oberlichter zwischen den Stahlträgern strömte das Licht herein, und die Halle war in Büros und Foyers unterteilt worden. Der Ort war wunderschön, aber kalt und steril. Wie
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