Die Assistentin
vor einigen Jahren verlassen hatte, hatte er sich auf private Ermittlungen spezialisiert, die die Behörden nicht leisten wollten – oder durften. Die Arbeit hatte ihn abgelenkt und war zudem gut bezahlt worden. Im Laufe der letzten Wochen hatte er jedoch alle laufenden Fälle abgeschlossen und seine Kunden informiert, dass er eine persönliche Auszeit nehmen würde. Mehr brauchten sie nicht zu wissen. Niemand brauchte mehr zu wissen.
Jetzt stand er vor der schwierigsten Ermittlung seines Lebens. So gerne er sich auch vor der Aufgabe drücken würde, er konnte es nicht. Unmöglich. Er musste etwas unternehmen. Aber was?
Sein Seufzen klang resigniert. Vielleicht sollte er sich als Erstes mit Neds Haushälterin unterhalten. Das war nicht so verzwickt wie die Sache mit Lane Chandler. Ein Gespräch mit ihr könnte ungeahnte Folgen haben. Neds Anwälte kümmerten sich um die Beerdigung und beantworteten die Fragen der Medien. In der Öffentlichkeit war Ned als Baseballstar bekannt, nicht als der Freund von Rick Bayless. So war Rick Gott sei Dank außen vor. Im Moment hätte er damit nicht umgehen können.
Plötzlich stutzte er und lauschte. Irgendwo im Haus ertönte ein lautes
Peng.
Er schoss in die Höhe. Der Karton mit dem chinesischen Essen landete platschend auf dem Fußboden, und Rick stieß ihn mit dem Fuß beiseite, um nicht in die auslaufende Soße zu treten. Das Geräusch hatte wie ein Schuss geklungen.
Barfuß schlüpfte er aus dem kleinen Büro. Lautlos schlich er den Flur mit den mexikanischen Fliesen entlang, den Rücken zur Wand. Ob der Eindringling seine Waffe gefunden hatte? Sie lag in der obersten Schublade seines Nachttischs im Schlafzimmer. Aber der Schuss schien nicht von dort gekommen zu sein, sondern von der anderen Seite des Hauses, aus der Küche. Jetzt hörte er ein metallisches Klicken aus dieser Richtung.
Lud der Eindringling die Waffe neu? Das würde bedeuten, dass er bereits bewaffnet gewesen war, bevor er in das Haus eindrang. Rick besaß einen Colt Python mit einem sechsschüssigen Zylinder. Es wären noch fünf Schuss übrig, ehe nachgeladen werden müsste.
Ein merkwürdiges dumpfes Quieken ließ ihn innehalten. Das Klicken wurde lauter und eindringlicher. Das Quieken verwandelte sich in ein gequältes Schreien. Was zum Teufel war das? Es klang wie ein wimmerndes Baby – oder wie ein Tier in höchster Not. Und mit einem Mal wusste er, was geschehen war.
Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er sich vorsichtig dem Türbogen näherte, der zu seiner Küche führte. Er reckte den Hals, schaute hinein – und sah genau das, was er zu sehen gehofft hatte. Ja! Die Mausefalle, die er vor ein paar Tagen aufgestellt hatte, war zugeschnappt. Doch leider war die arme Kreatur immer noch am Leben. Der Schnappbügel hatte nur ihr Bein erwischt anstatt den Hals, aber endlich hatte er die Maus gefangen.
Rick Bayless hatte den Krieg gewonnen. Endlich hatte er den hinterlistigen Dieb erwischt, der seinen Müll durchwühlte und seit Monaten jede Falle austrickste. Die Herrschaft der teuflischen Maus hatte ein Ende.
Wie bei den meisten Junggesellen war Ricks Küche nicht gerade ein Musterbeispiel an Ordnung und Sauberkeit. Regelmäßig ließ er das schmutzige Geschirr im Spülbecken liegen, bis seine Putzfrau einmal in der Woche den Abwasch erledigte. Eines Tages war das Geschirr fast sauber gewesen, und sie hatte ihn gefragt, ob er es bereits abgespült hätte. Erst da begriff er, dass er einen ekligen haarigen Tellerwäscher in seinem Haus hatte – und der Krieg begann.
Er hasste Mäuse. Wenn Walt Disney keine Helden mit untertassengroßen Ohren aus ihnen gemacht hätte, hätte niemand ein Herz für sie gehabt.
Ricks Begeisterung schwand, als er zusah, wie seine Feindin sich drehte und zappelte, in der Hoffnung, das Bein loszubekommen. Erstaunlich, dass das Bein überhaupt noch dran war. Wenn die Falle die Maus richtig erwischt hätte, wäre ihr Genick jetzt gebrochen gewesen.
Er musste die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen. Das Quieken des Tieres war herzerweichend, und er wusste, dass gefangene Tiere sich ihre Gliedmaßen abbissen, um ihr Leben zu retten. Von der Anrichte holte er sich ein Edelstahlsieb und stülpte es über die kämpfende Maus, um sie in Schach zu halten.
Ein Schuss wäre die sicherste Methode gewesen, um das Leiden des Tieres zu beenden, aber das kam ihm ziemlich übertrieben vor. Wer wollte schon mit Kanonen auf Spatzen schießen? Ertränken war zu
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