Die Assistentin
sei volljährig. Und noch schlimmer: Er
wollte,
dass sie volljährig war. Denn wenn er ehrlich war, verspürte er ein Verlangen nach ihr, das beinahe wehtat. Kein Teenager, der so eine Wirkung auf einen erwachsenen Mann ausübte, sollte sich auf der Straße herumtreiben! Vielleicht war er deshalb ein bisschen grob gewesen, als er ihr die Handschellen angelegt hatte.
Als sie begriffen hatte, dass sie ins Gefängnis kommen würde, war jede Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Sie hatte ihn angefleht, sie laufen zu lassen. Sie hatte sogar versucht, ihm eine traurige Geschichte von einem kranken Freund auf die Nase zu binden. Die Geschichte war wirklich traurig, und wer hatte noch nie einen kranken Freund gehabt? Als sie feststellte, dass sie sich nicht herausreden konnte, begann sie sich mit Händen und Füßen zu wehren. Während sie wie wild um sich trat, schrie sie die ganze Zeit, dass ihr Freund sterben würde. Er erwog, seinen Elektroschocker einzusetzen, was er sonst nur bei Kids tat, die bewaffnet waren. Aber er bezweifelte, dass sie das zur Ruhe gebracht hätte.
Lane Chandler war eine erwachsene Frau, doch Rick erkannte Lucy ohne Schwierigkeiten in ihr wieder. Er erinnerte sich an Lucys schlanke, fast schon magere Gestalt, die stets zur Flucht bereit zu sein schien. Sobald sie den Kopf senkte, verdeckte eine dichte Mähne brauner Haare ihr Gesicht fast vollständig. Doch sobald sie den Kopf hob, öffnete sich der Vorhang aus Haaren, und ihr Blick schien ihn zu verbrennen.
Jetzt war die wilde Mähne unter Kontrolle. Geschmeidig und glänzend, mit einem Hauch von Mahagoni, schmiegte es sich weich um ihr Gesicht. Aber es war immer noch ungezähmt genug, sodass sie es mit den Fingern zurückstreichen musste.
Er fragte sich, wie sie ihn heute wohl ansehen würde. Immer noch so kalt und abweisend wie ein eiskalter Gebirgsfluss? Oder hatte sie sich die Eiszapfen stets nur für ihn, ihren Verfolger, aufgespart? Und was war mit der Musik? “Unchained Melody”, “Go Your Own Way”, “Everybody Hurts” … Sie war ihm eigentlich nicht wie jemand vorgekommen, der auf Kuschelrock stand, aber genau diese Titel liefen leise im Hintergrund.
Besorgt, weil er nicht wusste, wohin ihn diese Fragen führen würden, konzentrierte er sich auf das Einzige, das wirklich zählte: Hatte sie dieses grauenhafte Szenario in Neds Haus arrangiert und das Päckchen mitgehen lassen? Mittlerweile hatte Rick eine eigene Theorie entwickelt, wie Ned und Holly wirklich gestorben waren, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau wie Lane Chandler dergleichen umgesetzt hatte. Um mit einem Mann wie Ned fertig zu werden, brauchte man viel mehr Kraft. Doch möglicherweise hatte sie einen Komplizen gehabt.
Lane streckte ihr Kinn in die Höhe wie ein Tier, das eine Witterung aufnahm, als schien sie die Anwesenheit eines anderen Menschen zu spüren. Jetzt konnte er ihr Profil sehen. Die Schönheit, die damals gerade im Entstehen begriffen war, war jetzt voll ausgereift. Ihre Gesichtszüge waren weich, ihre Lippen waren leicht geöffnet. Rick wollte zu gerne glauben, dass er ihr einen Gefallen getan hatte, als er sie von der Straße geholt hatte. Zumindest war das sein Ziel gewesen. Aber jetzt drängte sich ihm eine andere Frage auf. Was für ein böser Zug des Schicksals wäre es, wenn sie Neds Weg nur gekreuzt hatte, weil er sie gerettet hatte? Damit würde er die Mitschuld an Neds Tod tragen. Der Gedanke machte ihn fast krank.
Er musste sich bewegt haben, denn plötzlich sprang sie von der Chaiselongue auf.
“Wer ist da?” Sie entdeckte ihn in der Tür und drückte hastig auf einen Knopf an ihrem Handy. Eine Paniktaste, wie Rick vermutete. Sie alarmierte den Sicherheitsdienst. Die Männerstimme, die kurz darauf aus dem kleinen Lautsprecher ertönte, bestätigte seinen Verdacht.
“Miss Chandler? Alles in Ordnung bei Ihnen?”
Bevor sie antworten konnte, war Rick bei ihr. Er riss ihr das Telefon aus der Hand und zischte ihr seine Anweisungen zu. “Sagen Sie dem Kerl, dass Sie aus Versehen auf den Panikknopf gekommen sind. Sagen Sie ihm, dass alles in Ordnung ist.”
“Einen Teufel werde ich tun”, keuchte sie atemlos. “Geben Sie mir das Telefon.”
Er packte sie und hielt sie fest. “Tun Sie es”, warnte er sie. “Oder ich werde ihm sagen, wer Sie wirklich sind. Ich werde es jedem sagen, Lucia.”
“Was?” Sie verdrehte den Kopf, als wüsste er nicht, wovon er sprach. Offensichtlich erkannte sie ihn nicht. Doch als er
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