Die Assistentin
Gesicht lag. Unter dem Porträt, auf einem abgesperrten Teil des Parkplatzes, lagen eindrucksvolle Blumengebinde und Kränze von verschiedenen Würdenträgern und Organisationen. Daneben gab es einen ganzen Berg von Stofftieren, schlichten Blumensträußen und handgemalten Schildern von seinen Fans.
Rick ging hinüber zu einem kleinen Poster und hockte sich hin, um eine Aufschrift zu lesen. “Ned Talbert. Er ruhe in Frieden. Er ist unschuldig.” Der Manager der Dodgers hatte hier gestern eine Gedenkfeier abgehalten, aber Rick war nicht hingegangen. Er hatte die Wahl gehabt, entweder mehr über Jerry Blair zu erfahren oder an der Feier teilzunehmen. Die Entscheidung war ihm nicht schwergefallen. Rick war nicht in der richtigen Stimmung, um Neds Leben und seine Baseballkarriere Revue passieren zu lassen. Aber er war froh, dass so viele Menschen gekommen waren. Er hatte schon befürchtet, dass die Geschichte von Neds und Hollys Tod sein Ansehen in der Öffentlichkeit nachträglich besudeln könnte. Doch offensichtlich waren die Fans nicht bereit, alles zu glauben, was in den Nachrichten kam.
Aus den Augenwinkeln nahm Rick wahr, dass ein Wachmann ihn beobachtete. Doch er kam nicht näher. Vielleicht wollte er diesem Frühaufsteher und Fan etwas Ruhe gönnen. Immer noch auf dem harten Boden kniend, senkte Rick den Kopf, sowohl um den Wachmann auszublenden, als auch um seine Gedanken zu ordnen. Er hatte eine weitere schlaflose Nacht hinter sich, in der er Fragen gewälzt hatte, die allesamt nur weitere Fragen aufwarfen. Nichts schien zusammenzupassen, sodass er fast daran zweifelte, ob er auf der richtigen Spur war. Er hatte sich ganz auf Lane Chandler konzentriert und alles andere ausgeblendet, genau wie diese Idioten vom Dezernat für Kapitalverbrechen. Sie waren überzeugt, den Fall gelöst zu haben, und ignorierten alle Indizien, die dagegensprachen.
Rick wusste nicht, warum seinem Freund alles Menschliche genommen worden war – seine Zukunft, seine Ehre, selbst die Würde des Todes. Wer hatte einen Grund gehabt, Ned als einen abscheulichen Mörder und Feigling hinzustellen? Wenn Neds Tod irgendetwas mit dem Päckchen zu tun hatte, das er seinem Freund zur Aufbewahrung gegeben hatte, dann trug er, Rick, noch mehr Verantwortung an seinem Tod als ohnehin schon.
Er war nicht hierhergekommen, um sich zu verabschieden. Das würde er ein anderes Mal und an einem anderen Ort tun. Irgendwo, wo ihn gemeinsame Erinnerungen mit Ned verbanden, nicht an diesem großen, unpersönlichen Schrein. Rick war gekommen, weil er einen Schwur leisten wollte: Wer immer Ned und Holly das angetan hatte, war ein verabscheuungswürdiger Verbrecher, und Rick sah es als seine Aufgabe an, ihn zur Strecke zu bringen. Egal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte – Rick würden diese Person aufspüren und
ihr
alles Menschliche nehmen.
Er stützte sich auf dem Boden auf, dann erhob er sich und ging weg, ohne sich noch einmal umzusehen. Ned war ohne ein Lächeln in seinem Gesicht gestorben. Das Entsetzen und die Angst, die er verspürt haben musste, waren Rick immer gegenwärtig. Eine qualvolle Erinnerung an das, was sein Freund durchgemacht haben musste. Niemand sollte auf diese Weise abtreten müssen.
Rick hoffte, dass seine Theorie, wie Ned und seine Freundin gestorben waren, sich als falsch erwies. Es war ein quälender Gedanke, dass es sich so zugetragen haben könnte. Außerdem konnte diese Theorie längst nicht alles befriedigend erklären. Hatte man Ned tatsächlich gefesselt, obwohl nichts darauf hindeutete? Wenn man einen Doppelmord wie einen Mitnahme-Selbstmord aussehen lassen wollte, musste man natürlich jeden Hinweis auf Gewaltanwendung vermeiden.
Vielleicht hatte Mimi ja etwas Neues für ihn. Er hatte versprochen, keinen Kontakt zu ihr aufzunehmen, aber heute Morgen hatte er eine E-Mail von ihr bekommen. Sie wollte sich mit ihm in einer Bar in der Westside treffen und mit ihm über ihre letzte Unterhaltung reden. Ricks Mund verzog sich zu einem schmalen Lächeln. Gut.
Simon trat aus der Dusche und griff nach dem Handtuch. Der Raum war neblig vom Wasserdampf, obwohl das Badezimmer eine ausgezeichnete Lüftung besaß. Das Wasser perlte von seinem Körper. Er hatte die Klimaanlage auf die höchste Stufe gestellt, da er den Kontrast der kalten Luft nach einer heißen Dusche liebte. Das hatte stets eine beruhigende Wirkung auf ihn.
Er wischte den beschlagenen Spiegel ab und musterte seine dunklen Augen und den goldenen
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