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Die Assistentin

Die Assistentin

Titel: Die Assistentin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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Sie bewunderte ihren Vater und machte sich Sorgen um ihn, weil er ein schwaches Herz hatte. Aber sie konnte nicht viel Zeit mit ihm verbringen, ohne die Mutter gegen ihn aufzubringen. Mit siebzehn zog Sandra aus, an dem Tag, an dem sie ihr Abschlusszeugnis von der Highschool in der Tasche hatte. Sie konnte diese Streitereien nicht länger ertragen. Nachdem sie gegangen war, wurde es nur noch schlimmer. Da wusste Lane, dass es an ihr lag. Sie musste der Grund für das Zerwürfnis ihrer Eltern sein. Nur wenn sie ebenfalls wegginge, könnten sich ihre Mom und ihr Dad wieder versöhnen. Wenn sie aus dem Haus war, würden sich die beiden daran erinnern, wie sehr sie sich geliebt hatten, bevor Lane geboren wurde, und würden wieder zueinanderfinden.
    Doch leider hörte der Zwist nicht auf, nachdem Lane fortgelaufen war. Ihre Mutter hatte Sandra bereits verstoßen, weil sie weggegangen war und nichts aus ihrem Leben machte. Ihre jüngste Tochter gab sie ebenso schnell auf. Lane bekam nie die Gelegenheit, ihrem Vater zu erklären, warum sie weggelaufen war. Ein Jahr später starb er an Herzversagen. Bis zum heutigen Tag bereute Lane, dass sie nicht bei ihm gewesen war. Seinetwegen hätte sie es noch länger zu Hause aushalten müssen, aber als ihr das klar geworden war, war es bereits zu spät.
    Durch eine zurückgeschickte Weihnachtskarte hatte Lane erfahren, dass ihre Mutter inzwischen wieder geheiratet hatte und mit ihrem neuen Mann in eine Rentnerkolonie in Mexiko gezogen war. Ihre Mutter hatte eine kurze Notiz auf den ungeöffneten Umschlag gekritzelt und mit ihrem neuen Namen unterschrieben. Bisweilen tat es ihr immer noch weh, dass ihre Familie nichts aus all dem Schmerz gelernt hatte und sich nicht wieder nähergekommen war. Doch zumindest verstand sie inzwischen, dass das Problem zwischen ihren Eltern nichts mit ihr zu tun gehabt hatte.
    Zum Glück gibt es Schokolade, dachte sie und biss ein großes Stück von dem Riegel ab. Sie aß Schokolade nicht so wie normale Leute es taten. Sie biss zuerst die Ecken ab, knabberte dann am Rand entlang und schwelgte so lange wie möglich in dem kräftig-würzigen Geschmack. Beim ersten Stück, das in ihrem Mund zerschmolz, schmeckte sie den Kakao. Sie stellte sich vor, dass er aus Bohnen hergestellt wurde, die so kräftig und dunkel waren wie frisch aufgebrühter Kaffee, mit einem sinnlichen Hauch von Aprikose und einer Spur wilder Erdbeeren. Mit jedem Bissen, den sie sich auf der Zunge zergehen ließ, wurde es besser. Schokolade war ihr Balsam. Leider war sie auch ihr Freund, ihr Liebhaber und ihr Trost.
    “Was meinst du damit, dass du nicht zurückgehst?”, fragte sie ihre Schwester.
    Sandra nestelte an der Verpackung ihres Riegels herum. Sie schien Kraft zu sammeln. Ob gegen die Versuchung der Schokolade oder für die Antwort, war nicht ganz klar. “Ich kann nicht mehr in Läden arbeiten, in denen
alles
käuflich ist. Ich brauche einen Neuanfang. Und ich hatte gehofft, das könnte hier sein.”
    “Hier?” Lane konnte nicht verhindern, dass sie sich entsetzt anhörte. Sie sollte ein bisschen entgegenkommender sein, Sandra war schließlich ihre Schwester. Aber so erleichtert sie auch war, dass Sandra etwas Besseres aus ihrem Leben machen wollte – das Timing konnte kaum schlechter sein. Selbst wenn sie es nicht beabsichtigt hatte, hatte Sandra das Schlechteste aus Lanes Leben mitgebracht: ihre Vergangenheit. Lane war sich nicht einmal sicher, ob sie es nicht womöglich doch geplant hatte.
    “Hast du nicht vielleicht einen Job für mich?” Sandra studierte die Schokolade. Offensichtlich konnte sie Lane nicht in die Augen schauen.
    “Ich weiß nicht. Im Moment ist es ziemlich schwierig für uns.”
    “Schwierig?” Misstrauisch musterte ihre Schwester die großzügige Ausstattung. “Darauf wäre ich nie gekommen.”
    “Nicht finanziell. Wir haben gerade eine Menge zu tun.”
    “Da kann ich doch helfen, was auch immer anliegt. Ich bin ein unglaubliches Organisationstalent, das weißt du. Und ich arbeite hart für mein Geld.”
    Seltsamerweise war das die Wahrheit. Damals in der Hunting Lodge hatte Sandra oft flatterhaft und unorganisiert gewirkt, aber Lane hatte schon immer vermutet, dass das ein Schutzmechanismus war. Hank, Sandras herrschsüchtiger Freund, hatte sie dazu überredet, als eine Art Hausdame anzufangen und die Hostessen zu betreuen. Damals war Sandra sehr unsicher gewesen. Sie wollte ihm unbedingt gefallen und hätte alles für diesen Mann getan –

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