Die Assistentin
die Stirn. Mit dieser mehrdeutigen Aussage fühlte er sich sichtlich unbehaglich. “Nun, natürlich werden wir sie entfernen”, sagte er. “Und ich würde Ihnen gerne eine sechsmonatige kostenlose Verlängerung Ihres Vertrages anbieten, um Sie für Ihre Unannehmlichkeiten zu entschädigen. Nein, sagen wir ein Jahr. Und natürlich bekommen Sie einen neuen Bodyguard. Diesmal vielleicht einen Mann?”
Simon tat, als würde er nachdenken. Soweit er wusste, war Jia Long immer noch in ihrem Zimmer eingeschlossen und saß ihre selbst auferlegte Strafe ab. Er hatte die Tür überprüft, ehe er heute Morgen gegangen war, und sie war fest verschlossen gewesen. Wahrscheinlich hielt sie sich in dem Zimmer auf, seit sie ihm gestern Morgen den Schlüssel – und ihre Freiheit – angeboten hatten. Aber das hatte nichts zu bedeuten. Schließlich wies ihr Lebenslauf sie als Entfesselungskünstlerin aus. Schloss das nicht auch die Flucht aus geschlossenen Räumen mit ein? Darum hatte Simon an die Tür geklopft und ihr gesagt, dass er ausging. Er wollte ihre Antwort hören. Und ihr den Köder vor die Nase halten.
Sie war zur Tür gekommen und hatte ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass er ohne ihren Schutz aus dem Haus gehen wollte. Sie hatte angeboten, an seiner Stelle zu gehen. Er hatte ihr gedankt und erklärt, dass er mit Lane Chandler sprechen wolle. Er würde mit einer Limousine fahren und so gut wie keinen Fuß auf die Straße setzen. Für diesen Ausflug brauchte er keinen Schutz, obwohl er vielleicht einen kurzen Spaziergang auf der Avenue of the Stars machen würde, wenn gerade keine Paparazzi in der Nähe wären.
“Ich glaube, ich werde vorerst mit Miss Long weiterarbeiten”, erklärte er Val Drummond schließlich. “Vielleicht habe ich nur überreagiert und sollte noch einmal mit ihr sprechen.”
“Mr. Shan, sind Sie sicher? Das liegt nicht in Ihrer Verantwortung, und es ist unüblich für unsere Agentur. Wir sind dazu da, um Ihr Leben so stressfrei zu machen wie möglich. Miss Long ist offensichtlich zu weit gegangen.”
“Richtig, aber vielleicht macht sie genau das zu einer guten Leibwächterin.” Simon hatte nicht die Absicht, Jia Long schon gehen zu lassen. Er war hierhergekommen, um Lane Chandler von seinem Verdacht zu erzählen, dass es sich bei Jia möglicherweise um eine Saboteurin handelte. Dabei hatte er Lanes Reaktion beobachten wollen. Doch als er Val Drummond gegenübersaß, über den er nur wenig wusste, hatte er seine Meinung geändert.
“Es wäre mir lieber, wenn Sie mir die Sache überließen”, sagte Simon.
“Nun, natürlich, wenn Sie unbedingt wollen. Aber bitte melden Sie sich sofort, falls es weitere Probleme gibt!”
Das versprach Simon, doch bevor er aufstehen und gehen konnte, kam Drummond noch einmal auf das Angebot zurück, ihm ein Ersatztelefon zur Verfügung zu stellen. “Damit werden Sie direkt zu mir durchgestellt”, sagte er und zeigte auf die rote Concierge-Taste. “Selbstverständlich können Sie mich Tag und Nacht erreichen, und ich werde mich sofort und persönlich um Ihr Anliegen kümmern.”
Simon nickte, obwohl er nicht die Absicht hatte, Mr. Drummonds Dienste jemals in Anspruch zu nehmen.
Kurz darauf verließ Simon das Gebäude durch die Drehtür am Haupteingang. Er nahm sich etwas Zeit, um die Straße entlang zu blicken. Er hatte die Limousine nicht über The Private Concierge bestellt, sondern bei einer anderen Firma. Er hoffte, dadurch ein paar Variablen kontrollieren zu können. Vor wenigen Minuten hatte er den Fahrer angerufen und ihm mitgeteilt, dass er am Haupteingang und nicht in der Tiefgarage abgeholt werden wollte. Möglicherweise konnte er damit den gewöhnlichen Paparazzi einen Strich durch die Rechnung machen oder Jia irgendwo entdecken, die genau wusste, wohin er wollte und möglicherweise hier draußen auf ihn wartete.
Natürlich würde sie sich gut verstecken. Aber vielleicht entdeckte er ja doch eine vermummte Gestalt in einem parkenden Wagen oder einem Taxi mit laufendem Motor. Eine vermummte Gestalt, aus der die Medien den berühmt-berüchtigten Giganten-Killer Jack gemacht hatten.
Auf Anraten seiner Rechtsanwälte hatte Simon der Polizei nicht erzählt, dass jemand ihn mit dem Drogenfund hereinlegen wollte. Dadurch würde er nur noch schuldiger wirken, hatten die Anwälte ihm gesagt. Die Schuld einem anderen zuzuschieben sei stets die erste Reaktion von Betrügern und Soziopathen, behaupteten sie.
Und außerdem sind Sie schuldig.
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