Die Astronauten
Gravitation wieder: Der sphärische Raum zog sich zusammen. Während dieser Zeit war aber Oswatitsch bereits näher an die weiße Kugel herangekommen, und deshalb konnte Smith nur den leeren Raum sehen. Das ist die Lösung des ersten Rätsels. Nun weiter. Sie bemerkten einen Regenbogen«, wandte sich der Physiker an Oswatitsch. »Das ist sehr aufschlußreich. In diesem Augenblick befand sich nämlich die Grenze zwischen dem sphärischen und dem normalen Raum genau an der Stelle, wo Sie standen. Infolge der Interferenz und spezifischer Berechnungsbedingungen bricht sich das weiße Tageslicht an der Berührungsstelle zweier Arten von Räumen wie in einem Prisma. Woher kam nun das Licht, das Sie blendete? Solange die weiße Kugel mit genügend großer Intensität tätig ist, wird der sphärische Raum um sie herum sowohl bei Tage als auch bei Nacht von den Lichtstrahlen erleuchtet, die am Tage im sphärischen Raum eingefangenwurden. Sie können nicht mehr entweichen und kreisen nun gefangen in diesem Raum. Gehen wir weiter. Die Kugel, in deren Innern Sie zu sein glaubten, war natürlich die weiße Kugel. Sie befanden sich aber die ganze Zeit über außerhalb von ihr, und die Täuschung, daß Sie in ihr Inneres gelangt seien, wurde durch die Perspektive des sphärischen Raumes verursacht, die von der linearen Perspektive der uns umgebenden Welt verschieden ist. Sie benahmen sich – bitte verzeihen Sie mir diesen Vergleich – wie ein Betrunkener, der ständig um einen runden Kiosk herumläuft und lamentiert, daß man ihn darin eingesperrt habe. Ihre Gefangenschaft im Innern der Kugel war nur eine scheinbare.«
»Das ist unmöglich.«
»Meinen Sie?« Lao Tsu griff nach einem Bogen Papier und zeichnete, während er weitersprach: »Im gewöhnlichen Raum sehen wir eine Kugel auf diese Weise, und zwar deshalb, weil das Licht auf kürzester, also gerader Strecke vom betrachteten Gegenstand zu unseren Augen gelangt. Im sphärischen Raum dagegen beschreibt das Licht kreisförmige Bahnen. Als Sie daher vor der weißen Kugel standen, sahen Sie diese auf folgende Weise:
Das in Punkt A befindliche Auge nimmt nicht nur den vorderen Teil der Kugel wahr, der ihm gegenüberliegt, sondern auch den rückwärtigen Teil, der unter normalen Verhältnissen für uns unsichtbar ist. Wann aber sehen wir auch unter normalen Bedingungen die ganze Oberfläche einer Kugel auf einmal? Nur dann, wenn wir uns in ihrem Innern befinden. Und so glaubten Sie also, im Innern der Kugel zu sein. Der Mensch sieht die Kugel in der beschriebenen Art, wenn er den sphärischen Raum eben betreten hat. Geht er weiter in dessen Tiefe, so bemerkt er, daß die Kugel ihre Gestalt verändert, sich zuerst abplattet und dann ausbaucht. Diese Täuschungenwerden gleichfalls durch die Eigenart der sphärischen Perspektiven verursacht.
Wenn sich im gewöhnlichen Raum ein Gegenstand von uns entfernt, so erscheint er uns immer kleiner. Niemand von uns denkt in diesem Augenblick daran, daß die Verkleinerung durch die Gesetze der Perspektive bedingt ist. In dem Raum aber, der die weiße Kugel umgibt, in einem Raum also, in dem sich das Licht in kreisförmigen Bahnen bewegt, herrscht die sphärische Perspektive. Ein Gegenstand, in unserem Fall also die Kugel, erscheint, aus der Nähe betrachtet, wie ein gewöhnlicher Körper, aus größerer Entfernung als unendliche Ebene, aus noch größerer als konkave Fläche. Ich könnte es Ihnen mühelos beweisen, indem ich die Bilder der sphärischen Perspektive mittels stereographischer Projektion der Kegel der Lichttangenten konstruieren würde. Zu diesem Zweck genügt es, die Durchmesser der Kreisbahnen zu kennen, die von dem Licht beschrieben werden. Doch ich möchte mich hier lieber auf Vergleiche beschränken. Bei Eisenbahnschienen haben wir den Eindruck, daß sie am Horizont zusammenlaufen, obwohl wir genau wissen, daß sie immer noch parallel sind und ihr Zusammenlaufen nur eine perspektivische Täuschung ist. Ebenso war auch der Eindruck eine Täuschung, daß sich die Kugel abwechselnd abflachte und wölbte. Lebtenwir von Geburt an im sphärischen Raum, so würden wir die gesehenen Bilder nicht mehr für wirkliche Änderungen der Formen halten, sondern lernen, mit ihrer Hilfe die Entfernung zu schätzen, so wie wir im gewöhnlichen Raum aus der Entfernung lernen, daß sich Gegenstände scheinbar verkleinern, wenn sie sich vom Beschauer entfernen.«
»Warum konnte ich aber von dort nicht herauskommen, wenn ich mich, wie Sie
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