Die Attentäterin
Stuhl in sich zusammen, schließt die Augen, fühlt sich schwach, ausgelaugt. Was ihm in Seattle passiert ist, hatte für immer aus seinem Leben gestrichen sein sollen. Er hat alle Anstrengungen unternommen, die Sache zu begraben und zu vergessen, alle Anstrengungen bis auf eine. Jetzt ist der Schrecken zu ihm zurückgekehrt.
Kirkland ist ein Schwachkopf. Er hat keine Ahnung, was er hier vor sich hat. Was die Tode von Robert Neiman und Steven Jorge implizieren, ist zu offensichtlich, um es übersehen zu können. Ohara sieht es ganz deutlich. Der Schrecken, der sein Leben in Seattle zer stört und seine Pläne beinahe ruiniert hat, ist ihm hierher nach Philadelphia gefolgt, offenbar mit der Absicht, erneut zuzuschlagen. Der Tod Neimans und Jorges ist erst der Anfang. Der Vorbote eines direkt gegen ihn gerichteten Anschlags.
Es ist wieder diese Frau, die aus Seattle, die auf Kirklands Fotos. Die Frau in Rot und Schwarz. Striper. Sie ist nicht bloß ein Geschöpf der Straße. Sie ist eine Kreatur aus den finstersten Tiefen der Stadt. Sie ist weder Frau noch Tier, sondern eine Schöpfung der Sechsten Welt, ein tückischer Dämon, eine bösartige Monstrosität, die Personifikation des Bösen. Seine Begegnung mit ihr in Seattle, die schiere Gewalt, die mit dieser Begegnung einherging, die psychische Folter, der Blutverlust, all das hätte ihn beinahe getötet. Er hat kostbare Zeit damit verloren, sich aus den Ruinen seines früheren Lebens zu erheben. Er wird diesem Dämon nicht gestatten, ihm noch einmal so zuzusetzen. Striper muß vernichtet werden. Seine Zukunft gebietet es.
Die Polizei als Werkzeug zu benutzen, sie zu verhaften oder zu töten, ist keine ernsthafte Möglichkeit. Dazu wären zu viele Erklärungen nötig. Insbesondere würde er erklären müssen, was die Aufmerksamkeit dieses Dämons überhaupt auf ihn gelenkt haben könnte.
Ohara streckt die Hand nach dem Telekom aus und drückt eine Taste.
Als Enoshi eintritt, steht Ohara vor dem Fenster und starrt hinaus auf den Metroplex. Er fühlt sich der Herausforderung, Befehle zu erteilen, jetzt wieder gewachsen. Diese Bedrohung seines Lebens wird eliminiert werden. Er wird nicht nur überleben, sondern auch fortfahren, das größte Konzernimperium zu errichten, das die Welt je gesehen hat.
»Ich habe etwas für Sie, um das Sie sich kümmern müssen«, sagt er. »Ich kann die Wichtigkeit dieser Sache gar nicht genug betonen. Statt dessen sage ich einfach, daß sie von entscheidender Bedeutung für das Wohlergehen unseres Konzerns ist. Sie muß höchste Priorität erhalten. Sofort. Sie müssen die Angelegenheit sofort erledigen.«
Enoshi erwidert: »Selbstverständlich, Sir. Sofort.«
Der Dämon muß sterben.
17
Matsushita Gardens befindet sich nordwestlich der Innenstadt am Ostufer des Schuylkill River. Die fünf Wolkenkratzer erheben sich inmitten eines üppigen Parks, einer sanft ansteigenden und abfallenden Landschaft aus Bäumen, Hecken und Gärten mit Blumen und blühenden Sträuchern. Hier kann man außerdem mehrere traditionelle Karesansui oder Trockenlandschaftsgärten, ein Teehaus und einen kleinen Buddha-Tempel finden.
Man kann den Gartenkomplex durch einen von drei Zugängen betreten. Enoshi nimmt denjenigen am Kelly Drive. Die Routine ist vertraut. Vor der rotweiß gestreiften Schranke des Wächterhäuschens anhalten, in Erwiderung der Verbeugung des uniformierten Wächters nicken. Einen Arm aus dem Fenster strecken, seinen Kredstab in den Schlitz stecken und den Daumen auf das Kissen drücken. Ein leises Klingelzeichen ertönt, und die Schranke hebt sich. Seine Identität als autorisierter Besucher des Komplexes ist bestätigt. Der uniformierte Wächter verbeugt sich noch einmal, viel tiefer als nötig, zweifellos eine Reaktion auf den Wagen, den Enoshi fährt.
Bis vor kurzem hat er einen Ford Americar gefahren, eine ganz gewöhnliche Limousine, die manche als unter seiner Würde betrachtet haben mögen, die jedoch niemand je für anmaßend oder protzig gehalten hätte. Außerdem war es ein Wagen mit einem amerikanischen Namen, der noch dazu sehr wirtschaftlich im Verbrauch und zuverlässig war. Der Wagen hat ihn nie im Stich gelassen. Andererseits stimmte er mit seinem Image überein: anspruchslos, rationell, aufgabenorientiert. Sein Vorgesetzter, Bernard Ohara, hat natürlich daran Anstoß genommen, als ihm die Sache zu Ohren kam, und darauf bestanden, daß Enoshi über den Konzern, über Exotech, ein Fahrzeug least, das besser zum
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