Die Attentäterin
Chefassistenten eines Direktors von Kono-Furata-Ko paßt.
Und so fährt Enoshi jetzt einen Mercedes 200 Classic, eine viertürige Limousine, die mit einer Vielzahl vollkommen unnötiger Extras ausgestattet ist. Das Funktelekom in der Konsole ist nur ein Beispiel. Enoshi hat routinemäßig ein sehr funktionelles Panasonic UltraThin in seiner Aktentasche.
Auf seinem üblichen Parkplatz im Parkhaus unter Tower Drei holt er das UltraThin aus der Aktentasche und tippt einen Telekomcode ein. Am anderen Ende klingelt es zweimal, dann meldet sich eine männliche Stimme. »Hallo?«
»Bist du frei?« sagt Enoshi ohne Vorrede.
In der Leitung klickt es, dann sagt eine neue, sehr weiche und zarte, vollendet weibliche Stimme: »Natürlich bin ich frei.«
»Ich bin in zehn Minuten da.«
»Ich warte auf dich.«
Enoshi schaut auf seine Armbanduhr und läßt zehn Minuten verstreichen, bevor er seinen Wagen verläßt. Es dauert weitere fünf oder sechs Minuten, bis er aus dem Fahrstuhl tritt und über den Teppich im Flur der dreiundneunzigsten Etage geht. Alles in allem sind vielleicht zwanzig Minuten vergangen, als er auf den Knopf neben der Tür von Nummer 3905 drückt.
Es dauert nur einen Augenblick, bis sich die Tür öffnet und sie vor ihm steht. Sie sieht aus, als hätte sie den ganzen Morgen damit verbracht, sich auf seine Ankunft vorzubereiten. Sie heißt Frederique, ein Name, den Enoshi genauso exotisch findet wie die Frau selbst. Ihre Augen sind blau, und zwar von Natur aus. Ihr goldblondes Haar fällt ihr üppig in die Stirn und verdeckt ihre rechte Gesichtshälfte. Das durchscheinende weiße Gewand, das sie trägt, sieht nach echter Seide aus, wenngleich es an einigen Stellen, an allen besonderen Stellen, durch weiße Spitze verstärkt ist. Das Gewand ist sehr aufregend, ohne übermäßig offenherzig zu sein. Es betont ihre Schönheit und zeigt, daß sie reizend gebaut, aber nicht übermäßig gestylt ist.
Ihre größte Schönheit, und das ist diejenige, die Enoshi in ihren Bann schlägt, ist jedoch nur in ihren Augen zu sehen und in ihrem Lächeln... und in allem, was sie sagt und tut.
Enoshi verbeugt sich und tritt ein. Sanft lächelnd weicht Frederique einen Schritt zurück, dann noch einen, und verbeugt sich wie eine Dame aus dem feudalen Europa, indem sie den Kopf neigt, den ganzen Körper, und dabei ihr Gewand an den Hüften ein wenig anhebt, als wolle sie es nicht über den Boden schleifen lassen. Enoshi stellt fest, daß er unbewußt lächelt, ja strahlt.
Frederique geht auf ihn zu und küßt ihn auf die Wange, der einzige Augenblick, in dem ihr Blick nicht auf ihm ruht. Die Berührung ist so leicht wie der Flügel eines Schmetterlings, und sie riecht nach einem blumigen Parfüm, ein wahrhaftiger Garten entzückender Düfte.
»Wo bist du gewesen?« fragt sie leise, immer noch lächelnd. »Ich habe dich so vermißt.«
Es scheint weniger eine Frage zu sein als vielmehr eine sanfte, freundliche Art und Weise festzustellen, daß Enoshi sie jetzt fast eine Woche lang nicht mehr besucht hat. Vielleicht hat sie sich ein wenig einsam gefühlt. Ein halbes Dutzend Erklärungen gehen Enoshi durch den Kopf - seine Arbeit, seine Familie, das Haus, andere wichtige Angelegenheiten -, aber einer Frau wie Frederique würden sie wie bloße Entschuldigungen Vorkommen. Für sie steht die Liebe an erster Stelle, und derjenige, dem sie diese Liebe schenkt, bedeutet ihr mehr, viel mehr, als jeder Job, als die Familie, als alles andere auf der Welt. Enoshi kann sich nur eine Antwort vorstellen.
»Verzeih mir«, murmelt er.
»Natürlich«, gurrt Frederique und sieht ihm in die Augen. »Wie könnte ich anders?«
»In Gedanken bin ich immer bei dir.«
Leise flüstert sie: »Du lügst.«
»Dann in meinem Herzen.«
»Das glaube ich.«
Wiederum lächelt Enoshi, wiederum unbewußt. Dies scheint der richtige Augenblick zu sein, ihr sein kleines Geschenk zu präsentieren. »Das ist für dich.«
Frederique lächelt, ganz zart, als sei sie zu Tränen gerührt. »Für mich?«
Enoshi nickt und beugt sich vor, um sie auf die Wange zu küssen. Sie legt die Arme um seinen Nacken und erwidert den Kuß, dann nimmt sie die schlanke weiße Schachtel mit der Goldfolieneinlage. Darin wird sie ein kleines und kunstvoll arrangiertes Bouquet finden, daß Enoshi persönlich in dem Blumengeschäft Kyoto in der Innenstadt zusammengestellt hat. Auf der kleinen rosa Karte steht: »Kunst ist Wahrheit, Liebe ist mehr...«
»Wie wunderschön«,
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