Die Attentäterin
Ausführung. Tikki läßt sich Zeit, verbringt ein paar Augenblicke damit, den Sitz ihrer Handschuhe zu korrigieren. Die Handschuhe sind aus schwarzem Plastik und passen wie eine zweite Haut. Sie geht in den Laderaum des Lieferwagens und holt eine halbautomatische Walther XP-700 aus ihrem unterteilten Matchbeutel. Die XP-700 ist eine der ganz wenigen guten Präzisionswaffen, die mehr als eine Kugel gleichzeitig laden - fünf Kugeln über ein integriertes Magazin und eine direkt in die Kammer. Die Waffe ist geladen und schußbereit.
Tikki kniet auf der Rückbank und sieht sich noch einmal um. Abgesehen von den dort geparkten Fahrzeugen ist der Parkplatz verlassen.
Tikki berührt eine Sensortaste, und das Rückfenster des Lieferwagens senkt sich. Dann stützt sie die Arme auf die Lehne der Rückbank und richtet die Waffe auf die Südwestfassade von Tower Sieben. Die mattschwarze Lackierung der Pistole absorbiert das Licht, anstatt es zu reflektieren. Das Ares-Nachtsichtgerät bringt das entfernte Rechteck eines Notausgangs auf Armlänge heran. Tikki hebt die Mündung der XP ein wenig, so daß die direkt über der Tür angebrachte Überwachungskamera in ihr Blickfeld rückt. Das Lumex-Laserzielgerät läßt einen scharf umrandeten roten Punkt auf der Oberfläche der nach unten gerichteten Kamera erscheinen und markiert damit ihren exakten Zielpunkt.
Als sie abdrückt, ist dank des Fabrique-Schalldämpfers nur ein leises Plop zu hören.
Durch das Nachtsichtgerät sieht Tikki, wie plötzlich ein Loch in der Oberfläche der Überwachungskamera erscheint. Genau wie geplant. Außerdem glaubt sie einen Funkenregen zu erkennen. Es wird immer besser. Sie berührt den Sensor, so daß sich das Fenster wieder schließt, verstaut die Walther in ihrem Matchbeutel und duckt sich, um zu warten.
Laut ihrer Armbanduhr biegt nach etwa drei Minuten ein Wagen mit quietschenden Reifen und gelbem Blicklicht auf den Parkplatz ein. Er nimmt die Kurve und rast dann über den Parkplatz auf den Notausgang von Tower Sieben zu. Die Zeit ist wichtig, vielsagend. Als sie der Ardmore-Sicherheit zum erstenmal Grund zum Reagieren gab, tauchte der Wagen nach dreißig Sekunden auf. Das war vor zwei Wochen. Die durchschnittliche Reaktionszeit ist seitdem immer langsamer geworden.
Der Wagen bremst hart, als er den Notausgang erreicht, rast dann weiter über den Parkplatz, kehrt zurück, fährt dann noch etwas herum - hin und her, her und hin - und hält schließlich vor dem Notausgang an.
Ein uniformierter Wächter steigt aus, sieht sich um, dann hinauf zur Überwachungskamera. Er rüttelt an der Tür, die sich nicht öffnet. Er schaut hin und her, dann noch einmal und noch einmal. Schließlich steigt er wieder in den Wagen und hält sich etwas vor den Mund, wahrscheinlich das Mikro des Armaturenbrett- Telekoms.
Zwanzig Minuten verstreichen. Ein Polizeiwagen rollt auf den Parkplatz und hält neben dem Sicherheitsfahrzeug. Der Wächter steigt aus. Die Cops bleiben in ihrem Wagen. Dies ist das sechstemal in den letzten zwei Wochen, daß jemand auf den Komplex geschossen oder andere Dinge getan hat, die man als reinen Vandalismus bezeichnen könnte. In den anderen Nächten wurden unter anderem Parkplatzleuchten, Lobby-Fenster und das Kartenschloß an einem der Eingänge des Komplexes aufs Korn genommen. Außerdem wurde eines der Privatfahrzeuge, die in dem Komplex patrouillieren, mutwillig zerstört, aufgebrochen und verschiedener Ausrüstungsgegenstände beraubt.
Der Wächter zieht eine ganz gute Schau ab, aber die Reaktionszeiten erzählen eine ganz andere Geschichte. Niemand regt sich sonderlich über eine zerstörte Überwachungskamera auf. Ihre Stimmen tragen über den Parkplatz und dringen durch die Seitenfenster des Lieferwagens an Tikkis Ohren. So laut, daß sie Untertöne und emotionale Nuancen heraushören kann, auch wenn sie nicht jedes Wort versteht.
Sie scheinen sich darauf zu einigen, daß es sich nur um einen weiteren Fall von mutwilliger Beschädigung fremden Eigentums handelt. Wahrscheinlich ist alles nur ein Zufall.
»Dann rufen Sie den Reparaturdienst«, sagt einer der Bullen.
Gut, sehr gut.
Kurz darauf verschwinden die Cops wieder.
Der Wächter steht eine Weile herum, dann fährt er eine Weile herum, schließlich verschwindet er und kommt nicht zurück. Tikki bereitet sich ein paar Augenblicke vor, dann zieht sie einen knielangen, leichtgewichtigen schwarzen Duster an. Sie hat keine Verwendung mehr für den Volkswagen und
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