Die Attentäterin
mögliche, aber keine Angehörige des Rudels, weder des Rudels dieses Mannes noch irgendeines anderen. Sie schüttelt den Kopf. »Der Name ist Striper.«
»Woher kennst du Steel?«
»Das ist nicht dein Problem.«
Der Mann mustert sie noch ein paar Sekunden, dann erhebt er sich, zieht das Messer aus der Tischplatte und steckt es in die Scheide an seinem Gürtel. »Warte hier.«
Tikki nickt, kaum merklich.
Der Mann geht durch die Tür, die derjenigen gegenüberliegt, durch die Tikki den Raum betreten hat. Sie wartet reglos, die Arme locker an den Seiten. Sie braucht nicht erst hinzusehen, um zu wissen, daß die Frau, die sie hergeführt hat, und zwei der Vierbeiner an der Tür hinter ihr warten. Ihr Geruch spricht Bände. Wenn sie hinsähe, würde sie zwei mächtige Werwölfe mit angelegten Ohren in ihrer wahren Gestalt sehen.
Der große Mann kehrt rasch zurück. Er sieht Tikki am, dann streckt er sehr langsam die Hand aus und bohrt das Messer dicht vor ihr fest in die Tischplatte. Des ist keine Einladung, an irgendeinem obskuren Ritual des Rudels teilzunehmen. Vielmehr ist es eine Herausforderung, sich selbst zu beweisen, ein ganz besonderes Protokoll, das sie vor einiger Zeit mit Steel vereinbart hat.
Tikki legt die linke Hand um die Klinge, überzeugt sich davon, daß der Mann zusieht, schließt die Hand um die Klinge und zieht das Messer heraus. Das Gefühl der Klinge, die durch ihre Handfläche schneidet, zerrt an ihren Lippen, so daß sie sich zu einem unbarmherzigen Grinsen verziehen. Sie hebt die Hand, Innenseite nach vorne, so daß der Mann den Schnitt sehen kann. Blut läuft in kleinen Rinnsalen über die Handfläche. Dann hört es auf. Sie leckt das Blut ab und zeigt die Hand erneut. Jetzt ist außer der Handfläche und einem schwach rötlichen Fleck nichts mehr zu sehen. Der Schnitt ist verheilt.
Der Blutgeruch und ihre körperliche Reaktion auf Schmerz und Verletzung liegen in der Luft. Einer der Vierbeiner draußen heult kurz auf. Einer der Werwölfe hinter ihr knurrt, tief und kehlig, als reagiere er auf eine Bedrohung. Der große Mann vor ihr beobachtet sie mit Augen, die sich zuerst weiten und dann zu schmalen Schlitzen verengen.
Tikki begräbt die Messerspitze in der Tischplatte. Der Mann streckt die Hand aus, zieht es heraus und steckt das Messer wieder in seine Gürtelscheide. »Hier lang.«
Tikki nickt.
Der Mann führt sie durch einen weiteren kurzen Flur und an mehreren Türen vorbei, die alle geschlossen sind. Die Luft in dem Flur riecht extrem weiblich, als hätte jemand gerade eine Geburt hinter sich. Das könnte die hohe Anzahl der Wachen draußen und die hohe Anzahl von Werwölfen in ihrer natürlichen Gestalt erklären. Wenn ein Weibchen in die Wehen kommt, nimmt das ganze Rudel eine verstärkte Abwehrhaltung ein. Werwölfe sind sehr besorgt um ihre Jungen. Tikki weiß das aus eigener Erfahrung.
Der Mann öffnet eine Tür am Ende des Flurs, bedeutet Tikki einzutreten und schließt die Tür hinter ihr.
Der Raum ist klein und beinahe kahl. Auf dem Tisch an der linken Wand steht ein normales Mitsuhama Telekom mit Mikrobildschirm, Videokamera und Kopfhörer. Daneben befindet sich ein Gerät, daß ein Durchschnittsbürger wahrscheinlich in seinem ganzen Leben nicht zu Gesicht bekommt.
Tikki nimmt sich die Zeit, es genauer zu betrachten. Sie hat ähnliche Modelle schon zuvor gesehen. Das Gerät steckt noch in seinem Koffer, der ein wenig größer und dicker als eine gewöhnliche Aktentasche ist. Der Deckel steht offen und enthüllt eine Deckplatte aus schwarzem Makroplast, in die ein Bildschirm, eine Tastatur, ein paar Schalter und grafische Anzeiger eingearbeitet sind. Das Glasfaserkabel des Telekoms steckt in einer Buchse neben der Tastatur. In der Buchse daneben steckt ein weiteres Kabel, das zur Decke führt und durch ein kleines Loch verschwindet. Dieses Kabel endet wahrscheinlich in einer Satellitenschüssel auf dem Dach eines nahegelegenen Hauses. Womit die Schüssel verbunden ist, kann sie nur raten, aber Tikki ist davon überzeugt, daß sich kein Anruf, der von hier aus getätigt wird, zurückverfolgen läßt.
Sie nimmt den Kopfhörer und hält ihn sich ans Ohr.
Die Stimme, die sie hört, ist unmenschlich heiser, ein Krächzen, ein derbes, schnaufendes Flüstern. Sie gehört Castellano, auch als Steel bekannt. Er ist einer von einer Handvoll Leuten, denen Tikki einen besonderen Grad von Respekt entgegenbringt. Er wäre ein gefährlicher Feind. Mehr als das, er
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