Die Aufrichtigen (German Edition)
unterbrach Leo sie bitter. »Er wird allenfalls versuchen, ein gutes Geschäft daraus zu machen.«
»Aber ich, ich kann auch!«, brauste Julia auf. »Niemand wird mich daran hindern, den Mörder meines Vaters zu finden.«
Leo reagierte nicht.
»Hilf mir, bitte hilf du mir. Ich möchte mich nicht auf die Polizei verlassen.«
Leo hob langsam den Kopf.
»Du bist Anwalt, ich werde dich einfach beauftragen.«
Er sah an ihr vorbei.
»Schon gut«, sagte sie enttäuscht, »war eine blöde Idee.«
In diesem Moment richtete Leo sich auf.
»Wieso eigentlich nicht?«, sagte er. »Schließlich habe ich gerade nichts anderes zu tun.«
Die Taufe
Bis zum Ende des 3. Jahrhunderts zweifelte niemand daran, dass die Taufe, das wichtigste Sakrament der Christen, nur von einem Priester gespendet werden konnte, der vom Heiligen Geist erfüllt war. Der Kirchenvater Cyprian hebt die Bedeutung des Taufwassers hervor: »Damit aber das Wasser durch seine Taufe die Sünden des Täuflings abwaschen kann, muss es zuvor von dem Priester gereinigt und geheiligt werden. Wie aber kann jemand das Wasser reinigen und heiligen, der selbst unrein ist und den Heiligen Geist nicht hat?« Die katholische Kirche teilt diese Meinung nicht. Ein Sakrament komme schließlich von Gott, also sei es egal, wer es spendet.
Kaiser Konstantin ließ sich auf dem Sterbebett taufen. Wahrscheinlich tat er gut daran, damit bis zum Ende zu warten, denn es gab kaum eine Gräueltat, die er ausließ. Die Liste der Verwandtenmorde ist viel zu lang, um in einem einzigen Leben gesühnt zu werden: Im Jahr 310 ließ er seinen Schwiegervater, Kaiser Maximinian, in Massilia erhängen, seine Schwäger, Licinius und Bassianus, ließ er erwürgen, den Sohn des Licinius, Licinianus in die Sklaverei verkaufen und in Karthago tot prügeln, seinen Sohn Crispus ließ er 326 vergiften, seine Lieblingsgattin Fausta, die ihm drei Söhne und zwei Töchter geboren hatte, ließ er im Bad ersticken. Ihr Besitz fiel dem Bischof von Rom zu. Kaum zu glauben, dass die Kirche, die sich noch kurze Zeit zuvor als eine Gemeinschaft der Sündenlosen ansah, solch einen Mann als dreizehnten Apostel verehrte.
»O seliges Wasser«, schrieb Tertullian, »welches ein für allemal abwäscht, welches den Sündern nicht zum Gespött dient, welches, nicht mehr durch beständige Verunreinigung beschmutzt, diejenigen, welche es abgewaschen hat, nicht wieder besudelt.«
Es bleibt zu hoffen, dass das selige Wasser bei Konstantins Taufe ausreichend oft gewechselt worden ist.
E.A.S.
Blauer Montag, 12 Uhr 53, die Hand in der Wunde (2)
»Worauf willst du hinaus?«
Dr. Albertz sah Pater Donatus erwartungsvoll an. Die Männer waren zu der Bank unter dem Zierkirschenbaum zurückgekehrt.
»Mein lieber Maximilian, der zweite große Sündenfall der Kirche ist die Unterstützung der Faschisten und Nationalsozialisten. Erst durch ihre Hilfe gelang es Mussolini und Hitler, an die Macht zu kommen und die aberwitzigen Pläne umzusetzen.«
»Du meinst es gibt eine Parallele zwischen dem Jahr 314 und dem Vorabend des II. Weltkrieges?«, fragte Dr. Albertz überrascht.
»Das liegt doch auf der Hand! Vor 314 befanden sich die Christen in einer prekären Lage. Sie wurden als Staatsfeinde verfolgt, man verbot ihnen, ihren Ritus auszuüben und zwang sie unter die Staatsgewalt. Dennoch wuchs die Zahl der Christen stetig. Auf lange Sicht hätte das römische Reich dieser Entwicklung nichts entgegen halten können. Die Christen trafen in Arles ihre Wahl. In den frühen zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts war die Lage ähnlich.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Dr. Albertz, »der Kirchenstaat existierte seit 1870 nicht mehr, weil er nach der Eroberung Roms durch Garibaldi dem Königreich Italien einverleibt worden war.«
»Ganz recht«, nickte Pater Donatus, »seither ließen die Päpste nichts unversucht, ihre vormalige Stellung wiederzuerlangen. Als Garibaldi im Jahr 1870 in Rom einmarschierte, hörte der Kirchenstaat auf zu existieren. Der Kirche wurden ihre Privilegien genommen, ihr Besitz wurde konfisziert. Gerade noch die Vatikanstadt blieb ihr erhalten, jedoch ohne Souveränität auf die Almosen der Christenheit angewiesen. Für einen Wimpernschlag der Geschichte schien es, als höre die katholische Kirche auf zu existieren. Den Päpsten war jedes Mittel recht, die ›Römische Frage‹ zu klären. Deshalb hoben sie erst Mussolini auf den Thron, dann Hitler.«
»So wie die Christen sich im frühen 4.
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