Die Aufrichtigen (German Edition)
Jahrhundert mit Kaiser Konstantin verbündet haben, so haben sie es nach der Zerschlagung des Patrimonium Petri wieder getan?«
»Die Kirche hat sich immer mit der Macht verbündet. Sie hat die christlichen Werte verraten, Reichtümer angehäuft und unbeschreibliche Verbrechen gedeckt oder selbst begangen. Das muss endlich aufhören!«
»Gut, gut«, versuchte Dr. Albertz zu beschwichtigen. »Wir alle kennen die schwarze Vergangenheit der Kirche, aber wer regt sich heute noch darüber auf?«
»Begreife doch«, entgegnete Pater Donatus heftig, »es geht nicht um irgendwelche vergangenen Verbrechen! Wir fordern eine Rückkehr zur ursprüngliche Lehre! Wir verlangen, dass die Kirche für ihre Geschichte die Verantwortung übernimmt!«
Dr. Albertz konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
»Ja, lach‘ du ruhig! Du bist und bleibst ein lästerlicher Mensch! Doch glaube mir, nicht alle denken so wie du!«
»Ach nein?«,
»Der große Irrtum heute ist doch, dass die Menschen ihre Einstellung zu Kirche und Glauben als persönliche Angelegenheit ansehen. Das ist sehr gefährlich, denn sie verkennen, worum es der Kirche als Institution immer ging: die Fortführung des Imperium Romanum, der alte Traum von der Weltherrschaft. Warum soll sich das plötzlich geändert haben? Die scheinbare Abkehr von der Politik, die Verinnerlichung der Religiosität, sind doch nichts anderes als das Meisterstück kirchlicher Propaganda und Heuchelei!«
Dr. Albertz zog es vor, zu schweigen.
»Die katholische Kirche hat in den Jahren von 1920 bis 1945 so viel Schuld auf sich geladen, dass die historische Aufarbeitung Jahrhunderte dauern würde. Nichts kann Geschichte werden, solange es nicht aufgearbeitet worden ist, solange niemand die Verantwortung übernimmt.«
»Das ist wieder von Ernst«, sagte Dr. Albertz.
Der Pater sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ich weiß, was du denkst!«, sagte er, »aber unsere Forderungen finden eine viel breitere Unterstützung, als du glaubst.«
»Ach wirklich?«
»Wir wissen eine ganze Reihe einflussreicher Leute hinter uns, die alle ein Interesse daran haben, die Kirche auf den rechten Weg zurück zu bringen. Wir sprechen so vielen Gläubigen aus dem Herzen. Die Zeit ist reif, zumal die katholische Kirche gerade dabei ist, sich neu zu erfinden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Rückkehr zu Gott wieder durch ihre Lügen vereitelt wird. Wir brauchen eine ehrliche Kirche, die Kirche der Heiligen, die Kirche der Wahrheit!«
»Welche Wahrheit ist das?«, fragte Dr. Albertz lakonisch.
»Zu Beginn des 4. Jahrhunderts«, sagte Pater Donatus gelassen, »hat die römische Kirche dem Tyrannen Konstantin zur Alleinherrschaft verholfen. Als Gegenleistung hat Konstantin der Kirche den Weg zur Macht geebnet, die sie missbrauchte, um ihre niedrigen Interessen zu verfolgen. Das ist nicht nur Geschichte, Maximilian, es wirkt fort, jeden Tag, überall – das ist katholische Methode.«
»Ich weiß nicht«, sagte Dr. Albertz, »ich glaube, du übertreibst.«
»Nein, mein Lieber, gewiss nicht. Lass uns doch einfach zurückkehren zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert.«
»Ich gebe ja zu, dass sie nicht genug gegen die Terrorregime unternommen hat. Ein paar heldenhafte Priester und ein etwas zu passiver Vatikan — aber was ist so Besonderes daran?«
»Von dieser rührenden Darstellung ist doch nichts wahr!«
»Gleichwohl aber steht doch fest«, unterbrach Dr. Albertz, »dass die Kirche gestärkt aus dem Untergang Europas hervorgegangen ist. So viel kann sie also nicht falsch gemacht haben. Sie hat wie eh und je die Moral fest in ihrer Hand.«
»Mit Mussolinis Auftreten auf der politischen Weltbühne bot sich endlich eine Gelegenheit, die ›Römische Frage‹ im Sinne der Kurie zu klären. Die Kirche nannte ihn die Lichtgestalt Italiens, den Gesandten, auf den die Welt gewartet habe. Papst Pius XI. hat ganze Arbeit geleistet und wird heute als heiliger Mann verehrt. Aber ohne sein Zutun wären die Faschisten niemals an die Macht gekommen. Die Kirche wollte den totalitären Staat, fand Gefallen an der Verfolgung der religionskritischen Intellektuellen, dem so genannten Weltbolschewismus. Anfangs begegneten die Leute den Faschisten mit großem Misstrauen und als sie im Jahr 1924 den beliebten Sozialisten, Giacomo Matteotti, auf offener Straße ermordeten, schien es, als seien die Tage dieser Bande endgültig gezählt. Doch der Papst verhinderte Mussolinis Untergang. Er löste die konservativ
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