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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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entsetzt an. Dann nickte sie plötzlich.
    »Du hast Recht! Deswegen habe ich es heute morgen auch nicht gesehen.«
    Sie machte die Probe. Der Schrein ließ sich mühelos in das Fach hineinschieben.
    »Aber Leo«, sagte sie dann, »das würde heißen, dass mein Vater das Fatschenkind vielleicht seit ewigen Zeiten versteckt!«
    »Und dass sein Mörder davon wusste!«, fügte Leo hinzu. »Wenn es stimmt, dass solche Fatschenkinder bei schlimmen Ereignissen angefertigt werden, kann es doch sein, dass ein solches Ereignis deinen Vater und den Mörder verbindet. Wir sind gerade rechtzeitig gekommen. Wenig später und der Fremde hätte vielleicht gefunden, wonach er suchte.«
    Mit diesen Worten ging er in die kleine Nische neben dem Schreibtisch, um weiter nach dem Schlüssel zu suchen. Am Fußboden war mit Kreide die Stelle markiert, wo die Leiche des Professors gelegen hatte. Er warf einen Blick in die Bibel. Die Textstelle ließ das Schlimmste befürchten.
    »Lass uns diesen verdammten Schrein mit Gewalt aufmachen«, rief Julia plötzlich aus.
    Sie zog ihn aus dem Geheimfach heraus und stellte ihn auf den Schreibtisch. Dann baute sie sich mit der Brechstange vor dem Fatschenkind auf.
    »Nicht!«, rief Leo.
    Sie ließ den Arm sinken. Weil Leo nicht auf die Markierung treten wollte, machte er einen großen Schritt und hielt sich an der Lehne des Sessels fest. Dabei fiel das Kruzifix auf den Boden. Der Nagel an der rechten Hand der Christusfigur löste sich. Leo fluchte, hob das Kreuz auf und stieß einen Freudenschrei aus.
    »Es ist gar nicht kaputt! Der Nagel ist kein Nagel. Es ist ein kleiner Schlüssel!«
    Julia war sofort bei ihm und nahm ihm den Nagel aus der Hand. In die Hand der Figur war ein Loch gebohrt, wo der Schlüssel versteckt war. Sein Kopf war mit einer Metallkappe so getarnt, dass er von außen von den Nägeln nicht zu unterscheiden war.
    »Das ist ja total abgefahren!«
    Der Schlüssel passte. Julia öffnete den doppelten Boden, zwei Blätter lagen darin. Sie faltete sie vorsichtig auseinander. Auf dem Ersten war eine Notiz des Professors. Julia kannte die lang gezogenen Handschrift mit den altertümlichen Großbuchstaben.
Das Limbus-Problem: Wohin kommen die Seelen der Säuglinge, wenn sie ungetauft sterben? Der Limbus ist der Vorhof oder äußere Kreis der Hölle, wo die Seelen der ungetauften Kinder auf den jüngsten Tag warten, ohne körperliche Qualen erdulden zu müssen. Die Vorstellung, dass Neu- und Totgeborene, die nicht getauft worden sind, im Feuer der ewigen Verdammnis braten, einzig mit der Erbschuld belastet, ist im Katholizismus umstritten. Limbus oder Saum der Hölle bereits in Dantes ›Divina Comedia‹ beschrieben. Milderer Aufenthaltsort für alle, die ohne eigenes Verschulden ungetauft vom Himmel ausgeschlossen sind, nämlich
     
• limbus patrum: Vorhölle für die Seelen der Gerechten, die vor Jesus Christus lebten (Propheten, Moses, Abraham), n.b.: Celsus oder Porphyrius hielten den Christen im 3. Jh. vor, wie absurd es sei, dass alle rechtschaffenen Menschen vor Jesus keinen Anteil am Gottesreich haben können.
• limbus pauperum: Vorhölle für die ungetauften Kinder, n.b.: für Kinder absolute Notwendigkeit der Wassertaufe, keine Begierdetaufe möglich, da der Wille der Eltern nicht ausschlaggebend ist. Pius XII. hat immer betont, wie wichtig die sofortige Taufe unmittelbar nach der Geburt sei, oberste Elternpflicht (vgl. seine Rede vor den italienischen Hebammen, 1951).
    Limbus-Problem erforschen für Mariechen
    Julia ließ das Blatt sinken. Sie sagte nichts.
    »Wer ist denn Mariechen?«, fragte Leo.
    »Meine Mutter hieß Maria, vielleicht ist sie gemeint.«
    Sie sah ihn hilflos an.
    »Was steht auf dem zweiten Zettel?«
    Leo nahm ihr das Papier aus der Hand, weil sie nicht reagierte. Es war mit einer sauberen Frauenhandschrift beschrieben.
    » Sie sind uns nur vorausgegangen,
    und werden nicht hier nach Haus verlangen,
    wir holen sie ein auf jenen Höh‘n
    im Sonnenschein, der Tag ist schön! «
    Leo stockte, weil er Julia schluchzen hörte. Er kannte die Verse. Sie gehörten zu einem der Kindertotenlieder von Friedrich Rückert, die nach dem frühen Tod seiner Kinder entstanden waren.
    »Lies weiter«, forderte Julia.
    »Heute wäre Mariechen ein Jahr alt geworden. Friedhof Herrgottsruh, C23.«
    »Was hat das alles zu bedeuten, Leo? Limbus, Mariechen, Friedhof! Ich halte das nicht mehr aus!«
    Die Tränen liefen ihr die Wangen herunter.
    »C23 ist wahrscheinlich die

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