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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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gemacht haben?
    »Na, Blum, sind Sie enttäuscht? So sind die Menschen eben. Man kann in die Köpfe nicht hineinschauen. Das ist auch nicht die Aufgabe eines Anwalts. Wir vertreten Interessen, wir hinterfragen sie nicht.«
    »Haben Sie den Professor am Montag in Mainz getroffen?«, fragte Leo nach einer Weile.
    Dr. Albertz verzog das Gesicht.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil ich glaube, dass er dort war.«
    »So, war er das? Davon weiß ich nichts.«
    »Das Gutenbergmuseum —«
    Leo hielt inne. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher, ob er Dr. Albertz wirklich sagen sollte, was er wusste.
    »Ach, war nur so ein Gedanke, nicht so wichtig.«
    »Nun kommen Sie schon, raus mit der Sprache!«
    Irgendetwas an Dr. Albertz war anders.
    »Der Geistliche«, wich Leo aus, »wer war das?«
    »Welcher Geistliche?«
    »Na der, dem der Professor das Manuskript gegeben hat.«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Sagen Sie es mir einfach.«
    »Es war ein Benediktiner«, antwortete der Chef misstrauisch, »Pater Donatus, glaube ich.«
    Leo schloss die Augen. Er hatte keine Kraft mehr für weitere Fragen. Er wollte gehen, schnell das Büro, das Haus, diese Atmosphäre verlassen. Der Professor hatte seine Überzeugungen verkauft und Leo war seinem Geheimnis auf die Spur gekommen. Als er aufstand, hob Dr. Albertz die Hand, um ihn aufzuhalten.
    »Warten Sie noch einen Augenblick, Blum. Was ich gestern Mittag gesagt habe, es tut mir Leid. Wenn Sie wollen, reden wir beizeiten noch einmal darüber. Was ist? Ich würde die Sache gerne vergessen. Was halten Sie davon, wenn wir den Fall gemeinsam zu Ende bringen? Das wollten Sie doch sowieso, nicht wahr?«
    Leo dachte an den Kohlenschacht. Konnte er jetzt noch umkehren? Für einen Augenblick gab er sich seinen selbstmitleidigen Empfindungen hin. Um Dr. Albertz‘ Blick nicht zu begegnen, packte er seinen Computer ein. Er wollte so tun, als habe er die Frage nicht gehört. Als er sich endlich umdrehte, ruhte der Blick des Chefs noch immer auf ihm. Er kannte diese unwiderstehliche Methode, eine Antwort zu erzwingen.
    »Ich überlege es mir, Dr. Albertz, versprochen.«
    »Sehr gut«, strahlte der Chef, »gönnen Sie sich etwas Ruhe über die Ostertage, melden Sie sich in der nächsten Woche, es gibt viel zu tun.«
    Leo senkte den Kopf. Er wollte nichts mehr richtig stellen, er wollte nur noch hinaus und drückte sich müde lächelnd an Dr. Albertz vorbei, der ihm bis zur Kanzleitür folgte.
     
Das Gottesgefühl
Worüber die amerikanischen Wissenschaftler schweigen ist das Gottesgefühl. Auch wenn es falsch ist, auch wenn es irrational ist – das Gottesgefühl veranlasst ernsthafte Leute, an eine höhere Macht zu glauben. Wem steht darüber ein Urteil zu?
Allerdings muss der Gottesgefühlige sich darüber im Klaren sein, dass diese Schwäche ihn besonderen Gefahren aussetzt, die ihm bei nüchterner Betrachtung nichts anhaben könnten. Denn das Gottesgefühl kann missbraucht werden. Es lässt zu, dass man uns vor einen fremden Karren spannt und wir die Augen vor dem Unrecht verschließen, das im Namen einer guten Sache geschieht. Es birgt die Gefahr der Unterordnung und des Gehorsams zum falschen Zeitpunkt, des Hinnehmens festgefahrener Strukturen, von Macht- oder Besitzverhältnissen, die nichts mit Recht, sondern nur mit dem Vorteil Einzelner zu tun haben. Was, wenn wir deshalb gar nicht erst erwachen, ein fremdes Leben führen und unsere Freude auf die Zeit danach aufsparen?
Das Gottesgefühl entspringt einer unergründeten Sehnsucht nach barbarischen Riten, die aus grauer Vorzeit stammen müssen. Vielleicht ist die Welt nur verrückt geworden in ihrer neu entdeckten Religiosität, vielleicht sind wir aber auch viel näher an der Vorzeit mit ihren Blut- und Menschenopfern, als uns lieb ist. Es liegt nur ein Wimpernschlag zwischen uns und der Geschichte.
E.A.S

Blauer Montag, 13 Uhr 14; die Hand in der Wunde (3)
    Pater Donatus vergrub sein mächtiges Haupt in den Händen. Der Schmerz schien ihn zu überwältigen. Dr. Albertz beobachtete ihn eine Weile. Dann beschloss er, das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
    »Und das Reichskonkordat? Du hast es vorhin erwähnt.«
    Der Pater sah ihn mit finsterer Miene an.
    »Was mit Kaiser Konstantin begann und über die Jahrhunderte geprobt wurde, perfektionierte ein klerofaschistischer Vatikan mit Mussolini und mit Hitler fand alles seine traurige Vollendung. Ich bezweifle, dass du diese Geschichte wirklich kennst.«
    »Ich bin gespannt.«
    »Für

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