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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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den Vatikan war neben Italien kein anderes Land in Europa genauso wichtig wie Deutschland. Natürlich sah es Papst Pius XI. mit Sorge, dass sich in Deutschland atheistische Strömungen ausbreiteten, die sich zunächst auch die Nazis zu Nutze machten. Man fürchtete um Einfluss und Vermögen. Für eine Weile schien es so, als wolle Hitler ohne die Kirche agieren und den Klerus vollends entmachten. Papst Pius XI. war vor seiner Wahl lange Nuntius in Deutschland gewesen, er kannte die Verhältnisse also genau. Ehe er die katholische Zentrumspartei auflöste, wie schon zehn Jahre zuvor in Italien, war das braune Gesindel nicht viel mehr, als ein stinkender Schandfleck. Die Zentrumspartei, die konservative Mitte, wäre vielleicht stark genug gewesen, den Nazis die Stirn zu bieten. Aber wie in Italien wurden die Katholiken aufgefordert, die NSDAP zu wählen. Kein Wunder, denn das totalitäre Gedankengut stimmte mit den Interessen der Kurie überein. Der Vatikan war sowohl in Italien als auch in Deutschland ganz maßgeblich daran beteiligt, die junge Demokratie zu beerdigen. Die Gewaltregime eines Mussolini oder Hitler entsprachen eher den kirchlichen Vorstellungen von Europa. Der Erfolg dieser Unterstützung ist leider nur allzu gut bekannt und für immer in die Seele der Völker eingebrannt.«
    Pater Donatus schwieg.
    »Das ist gerade so, als ob der Papst heute die CDU oder CSU verdammen und allen Katholiken aufgeben würde, künftig nur noch rechtsextrem zu wählen«, sagte Dr. Albertz. »Hitler hat es also nicht an Gegenleistung fehlen lassen, als er 1933 das Reichskonkordat mit dem Vatikan abschloss?«
    »Das Reichskonkordat von 1933, das weißt du besser als ich, ist ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und dem Vatikan, der im Prinzip noch heute gilt. Es sicherte die Rechte der Kirche in Nazideutschland, bestätigte den Kirchenbesitz, das Recht Bischöfe einzusetzen, wenn sie nur den Treueeid auf Hitler schworen, und garantierte neben großzügigen finanziellen Zuwendungen den Einfluss der Kirche in den Schulen. Der Klerus wurde zu bedingungsloser Loyalität mit dem Regime angehalten. Die Priester und Bischöfe, die anfangs ihre Stimme gegen Hitler erhoben hatten, wurden zum Schweigen gebracht. Nach dem Abschluss des Konkordats gab es offiziell nur noch Zustimmung und tatsächlich: danach hat kaum jemand Hitler mehr gelobt, als die deutsche Geistlichkeit, beider großer Kirchen übrigens. Die Wenigen aber, die sich weiterhin widersetzten, wurden entweder vom Vatikan kalt gestellt oder von den Mordbanden der Nazis beseitigt, ohne dass irgend jemand protestiert hätte. Das christliche Gewissen war mit dem Reichskonkordat gänzlich beruhigt.«
    »Du meinst, Hitler hätte ohne die katholische Kirche niemals eine solche Macht erlangt und wäre vielleicht bei Fortbestand der Zentrumspartei sogar politisch zu besiegen gewesen? Statt dessen aber wurde der menschliche Anstand für dieses Konkordat geopfert, nur um die Kircheninteressen in Deutschland zu sichern?«
    Nach einer Weile nickte Donatus langsam.
    »Aber wie passt das zu der geheimen Enzyklika ›Mit brennender Sorge‹, die Papst Pius XI. vor seinem Tod noch auf den Weg gebracht hat? Ist sie nicht der Beweis dafür, dass die Kirche tatsächlich gegen das Regime gewesen ist, es im Stillen bekämpfte, weil ihr die Machtmittel fehlten, offen gegen Hitler zu opponieren? So wird es jedenfalls dargestellt.«
    »Du weißt genauso gut wie ich, dass diese Enzyklika nichts weiter als ein schwacher Versuch war, Hitler zur Einhaltung des Reichskonkordats zu bringen. Der dachte nämlich nicht im Traum daran, sich an den Vertrag zu halten. Der sogenannte Kirchenkampf fand, wenn überhaupt, nur deswegen statt, weil man die im Konkordat verbrieften Privilegien verteidigen wollte. Es ging nie um den Widerstand gegen das Unrechtsregime aus christlichen Gründen. Wenn man Hitler schon bei der Herbeiführung des Weltunterganges unterstützte, so wollte man nicht selbst dabei hinweggefegt werden. Die Enzyklika war nicht mehr als ein Lippenbekenntnis, Propaganda zur Beruhigung des öffentlichen Gewissens. An dieser Methodik hat sich nichts geändert. Denke nur daran, wie die Kirche heute mit dem Missbrauch von Kindern durch katholische Priester umgeht. Der Papst verurteilt, natürlich! Was sollte er denn sonst tun? Doch es kommt nicht darauf an, was er öffentlich verkündet, sondern darauf, wie die Kirche mit Geistlichen umgeht, die sich strafbar gemacht haben. Entfernt sie solche

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