Die Aufrichtigen (German Edition)
Priester aus dem Kirchendienst? Nein! Werden sie aus der Kirche ausgestoßen? Nein! Tun die vorgesetzten Stellen alles, damit die Tat aufgeklärt wird? Nein und dreimal nein! Statt dessen richtet man Diskussionsrunden ein, faselt von der höheren Gerechtigkeit und will die Opfer mit Almosen abspeisen. Damals war es keinen Deut anders. Nicht einmal nach dem Einfall in Polen distanzierte sich der Vatikan. Im Gegenteil, der Angriff wurde als Beispiel des ewigen Kampfes der Christenheit für die Gerechtigkeit in der Welt gepriesen. Hitler wurde zur weltrettenden Lichtgestalt stilisiert, wie vorher schon Mussolini. Der Klerus forderte Treue bis in den Tod gegenüber diesen Gotteskriegern. Sie predigten sogar, Gott selbst fechte an der Seite der Soldaten, weil der Krieg sein Wille sei. Nicht anders als zur Zeit Kaiser Konstantins! Welcher Soldat konnte sich dieser heiligen Verpflichtung entziehen? Die letzten Zweifel beseitigten die reiche Kriegsbeute und der Staatsterror. Wie viele Millionen Menschenleben hat dieser Irrsinn gekostet!«
Pater Donatus wandte sich ab, sein Atem ging schwer. Dr. Albertz zog eine Augenbraue hoch.
»Wo die Kirche wirklich stand«, fügte der Pater hinzu, »hat sie spätestens im Gottesstaat des Ante Pavelic gezeigt.«
»Dem jugoslawischen Ustascharegime?«
Der Pater nickte.
»Mag sein, dass man bei Mussolini noch falsches politisches Kalkül, dass man bei Hitler noch die Verteidigung der eigenen Rechte als Ursache für das Verhalten der Kirche anführen kann. In Jugoslawien aber herrschte Pavelic unter der direkten Protektion des Vatikans, und die Priester und Mönche begnügten sich nicht mit Brandreden, sondern leiteten selbst die Kroaten zu den abscheulichsten Gräueltaten an. Bei den Ustaschen hat die Kirche selbst Hand angelegt und den Leuten gezeigt, wie man die Höllenvorstellungen des Mittelalters Wirklichkeit werden lässt. Was dort geschehen ist, ist so unbeschreiblich grausam, dass selbst die Schlächter der Waffen-SS sich mit Entsetzen abgewendet haben.«
»Die Kirche hat damals offenbar ihre große Chance gesehen, eine Weltordnung nach ihrem Geschmack zu schaffen. Das ist zu unser aller Glück gründlich misslungen. Aber sage mir, warum erzählst du mir das alles?«
Pater Donatus sah ihn an, als verstünde er die Frage nicht.
»Die Kirche hat im Lauf der Jahrhunderte den Namen unseres Erlösers so oft mit Dreck beschmiert, dass das allein genügen würde, ein Leben lang zu weinen. Was aber während der Faschisten- und Naziherrschaft geschah, ist so unvorstellbar entsetzlich, dass ich nicht weiß, ob selbst Gottes Güte groß genug ist, dies jemals zu vergeben. Die Kirche ist seither mit einem unauslöschlichen Makel versehen, besudelt vom Blut von abermillionen Menschen. Und doch hat sie nie dafür gebüßt, nicht einmal um Vergebung gebeten! Es ist ihr sogar gelungen, gestärkt aus dem Zusammenbruch Europas hervorzugehen. Dazu hat sie sich die kleine Zahl auserlesener Menschen auf den Schild gehoben, die tatsächlich Widerstand geleistet haben, weil es ihr Glaube ihnen gebot. Jene Christen, die sie vorher fallen ließ, denen sie jede Hilfe verwehrte und gegen deren Ermordung sie nicht einmal protestierte. Nach dem Krieg wurde es dann so dargestellt, als ob der Heldenmut der Wenigen typisch für die Kirche gewesen sei. Das ist so infam, dass es selbst dir schwer fallen dürfte, dafür angemessene Worte zu finden!«
Dr. Albertz musste unweigerlich lächeln. Tatsächlich konnte er nicht leugnen, dieses weltpolitische Meisterstück immer schon ein wenig bewundert zu haben. Das war katholische Methode.
»Gut, mein lieber Donatus, ich kenne nun deine Motive und gebe zu, in weiten Teilen mit dir übereinzustimmen. Ihr Donatisten fordert die Wiedertaufe des Papstes, was mir bei allem übrigens am Besten gefällt, weil er als Oberhaupt symbolisch die volle Verantwortung für die Kirchengeschichte übernehmen muss. Wir haben aber noch nicht davon gesprochen, welche Rolle mir dabei zugedacht ist. Meine Zeit ist kostbar, du kennst meine Konditionen.«
Pater Donatus erhob die Hand, um Dr. Albertz zu unterbrechen.
»Wir sind mit all deinen Forderungen einverstanden, gleich wie unverschämt sie auch sein mögen. Doch überlege dir gut, ob du dich uns nicht aus freien Stücken anschließen willst. Niemand kann auf Dauer ohne das Wort Gottes sein.«
»Wie auch immer. Ich werde mich ohnehin nicht sofort entscheiden. Was also soll ich tun?«
»Das wirst du heute Abend, nach dem
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