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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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natürlich überhaupt nicht daran gedacht, Sophie offiziell nach Mainz zu schicken. Er hielt es für einen ihrer überstürzten Einfälle, aus dem Umstand, dass auch Dr. Albertz dort gewesen war, gleich auf eine heiße Spur zu schließen. Aber Sophie wollte unbedingt hinfahren und verbiss sich umso mehr in die Vorstellung, die Reise sei wichtig für die Ermittlungen, je weniger sie sich eingestehen wollte, dass sie einfach Sehnsucht nach Leo hatte. Also bat sie ihren Chef um zwei Tage Urlaub und konnte sich dennoch nicht darüber freuen, dass er bewilligt wurde. Es zeigte nur, dass der Kommissar ohnehin nicht mit ihr rechnete.
    Das Gutenbergmuseum war am Karfreitag geschlossen. Sophie versuchte nicht einmal, ihren Ärger darüber zu verbergen. Sie ließ Leo vor dem Eingang stehen, wild entschlossen, in dem angrenzenden Verwaltungsgebäude irgend jemanden aufzutreiben, der ihnen weiterhelfen konnte. Leo schlenderte an der Glasfront entlang und betrachtete die große Rotationsdruckmaschine im Foyer. Es hatte ihn verletzt, dass Sophie gesagt hatte, dass sie nun ganz umsonst hergekommen seien. Er wollte in das Museumscafé gehen und auf sie warten.
    »Suchen Sie etwas?«, hörte er eine Stimme sagen.
    Eine freundlich wirkende Endfünfzigerin sperrte die Eingangstür auf. Sie trug einen Stapel Bücher unter dem Arm.
    »Zu dumm«, antwortete er, »ich bin extra her gefahren und nun ist das Museum geschlossen.«
    Mit seiner dezenten, um nicht zu sagen langweiligen Kleidung und der umgehängten Notebooktasche hielt sie ihn bestimmt für einen Gymnasiallehrer auf der Suche nach Exkursionsthemen. Die Frau verzog das Gesicht.
    »Ich hätte gern die alten Bücher gesehen.«
    »Interessieren Sie sich für alte Bücher?«
    »Oh ja, sehr!«
    »Dann sind wir sicher Kollegen. Germanist oder Philologe, nicht wahr?«
    Leo schwieg.
    »Ich leite die Museumsbibliothek«, sagte die Frau, »die Feiertage nutze ich manchmal, um die Bestände durchzugehen. Ich muss die Bücher selbst sehen, ein Computersystem kann das nicht ersetzen. Kommen Sie doch morgen wieder.«
    »Sie leiten die Museumsbibliothek?« Leo schoss ein Gedanke durch den Kopf. »Kann man sich denn Bücher ausleihen?«
    »Also doch Germanist!«
    Leo wurde rot.
    »Normalerweise geht das schon, jedenfalls bei ausreichender Vorankündigung.«
    »Normalerweise?«
    »Stellen Sie sich vor, Anfang der Woche ist ein Buch verschwunden. Ein Historiker aus München, den ich sogar persönlich kenne, hat am Montag ein Buch eingesehen und jetzt ist es spurlos verschwunden!«
    »Wirklich?«
    Der Professor war also tatsächlich hier gewesen.
    »All unsere Bemühungen, mit dem Professor Kontakt aufzunehmen, blieben bislang erfolglos. Die Museumsleitung will schon die Polizei einschalten.«
    »War das ein wertvolles Buch?«
    »Das nicht gerade, jedenfalls nicht unersetzlich. Aber wie stehe ich jetzt da! Ich war es, die sich für die Öffnung der Bibliothek eingesetzt hat.«
    »Was war das für ein Buch, wenn ich fragen darf?«
    »›Celsus wahres Wort‹, eine Streitschrift des neuplatonischen Philosophen Celsus von Alexandrien, der im 2. Jahrhundert gelebt hat. Er setzt sich mit den Lehren der Christen aus Sicht der heidnischen Philosophie auseinander. Das verschwundene Buch aus dem Jahr 1874 ist eigentlich bloß eine Rekonstruktion von Celsus‘ Werk, das uns nur durch die Entgegnung des Kirchenvaters Origenes überliefert ist.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Origenes von Alexandrien ist ein frühchristlicher Apologet. Er hat in acht Büchern versucht, Celsus philosophisch zu widerlegen und das Christentum gegenüber der antiken Philosophie als überlegen darzustellen. Die Schriften von Celsus sind auf Befehl Kaiser Konstantins verbrannt worden und zwar so gründlich, dass heute nicht einmal mehr seine genauen Lebensdaten bekannt sind. Das waren die ersten Bücherverbrennungen.«
    »Moment«, sagte Leo, »dieser Professor hat ein Buch mitgenommen, dessen Überlieferung die Christen verhindern wollten?«
    Die Frau nickte.
    »Für viele von uns ist schwer vorstellbar, dass es einmal etwas anderes gegeben hat, als die christliche Weltanschauung. Wir sind damit geboren und aufgewachsen. Nur die Wenigsten hinterfragen, was da gepredigt wird. Im Gegenteil überkommt uns die große Ratlosigkeit, wenn wir darüber nachdenken, was aus der Welt ohne die christliche Religion werden soll. Dabei sind doch die meisten Menschen auf der Welt keine Christen und leben trotzdem gut.«
    »Und warum wurden die

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