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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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Menschen zutiefst innewohnt und zwar nicht erst, seit es Kirche gibt. Die antike Philosophie ist voll von Werten, die dem Christentum als Vorbild gedient haben. Philosophen wie Celsus oder Porphyrios zeigten, dass die Lehre des Christentums nicht nur absurd gewesen ist, sondern auch überflüssig für die Begründung von Werten. Die Kirche ließ ihre Schriften verbrennen.
Was bleibt, ist ein wirklich gutes Gefühl: Werte gibt es, seit es Menschen gibt. Ohne Kirche, ohne Religion geht es mindestens genauso gut. Der Mensch hört ohne die Kirche nicht auf, nach dem Besseren zu streben. In diesem Sinne sind Kirche und Religion wirklich wertlos.
E.A.S
     

 
     
     
     
     
     
     
     
    2. Teil
     
    Jesus sprach: Vielleicht denken die Menschen, dass ich gekommen bin, um Frieden auf die Welt zu bringen. Und sie wissen nicht, dass ich gekommen bin, Zwist auf die Welt zu bringen, Feuer, Schwert, Krieg.
     
    (Thomasevangelium, 16; aus den Büchern von Naq Hamdi)

Karfreitag, 21 Uhr 42; im Fundament der Kirche
    Leo lag mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken. Sophies Hitze brannte auf seiner Haut. Wenn er die Augen schloss, sah er noch immer ihr glühendes Gesicht. Ihr Atem erholte sich nur langsam. Lächelnd drehte er sich zu ihr und umschlang ihren Bauch. Sie drückte seine Hand.
    In diesem Augenblick schien alles ganz einfach zu sein. Er hätte ewig so liegen und in sich hinein hören können. Es fühlte sich so an, als hätten die vergangenen Tage ihn stärker gemacht. Er bewunderte Julia für ihre feste, in sich ruhende Art. Irgendetwas gab ihr die Kraft, in ein paar lächerlichen Tagen so viel Schicksal zu erdulden, wie andere es kaum in ihrem ganzen Leben ertragen können. Wie schaffte sie das, ohne den Verstand zu verlieren? Vielleicht hatte sie, im Gegensatz zu ihm, gefunden, wonach sie suchte, führte ein nicht mehr zeitgemäßes Leben, weil sie nicht versuchte, sich alles offen zu halten. Wahrscheinlich war das wirklich ein Privileg, wie Dr. Albertz einmal umständlich auseinandergesetzt hatte.
    Immer, wenn sie miteinander geschlafen hatten, kehrte Sophie ihm den Rücken zu. Wie gern würde er jetzt ihr Gesicht sehen, seinen Kopf auf ihre Brust legen und die Hand zwischen ihre Beine schieben, um das nasse Fleisch zu spüren. Und er selbst? Hatte er sich Sophie etwa schon einmal eindeutig erklärt? Konnte er sich etwa festlegen? Er zog sie zu sich heran, wobei sie wohlig brummte. In diesem Moment wünschte sich Leo, nie mehr eine andere Frau zu berühren. Von der Mitte seiner Brust breitete sich eine heiße Sehnsucht aus, rund wie eine Welle, wenn ein Stein ins Wasser fällt. Er schmiegte sich noch dichter an sie, Sophie drückte sich gegen ihn, wobei sie ihr Becken wiegte. Konnte das alles so einfach sein? Er kniff die Augen zusammen. Wenn das wirklich alles war, wieso kannte er dann kein Paar, dem es gelungen war, auch nur den Schein eines glücklichen Lebens zu wahren?
    ›Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu sein, Blum, sondern um uns fortzupflanzen!‹, pflegte Dr. Albertz zu sagen. Bisher war Leo das ziemlich geschmacklos vorgekommen, nun aber erschien es ihm beinahe, als sei eine tiefere Wahrheit in diesen Worten verborgen. Woran lag es nur, dass keiner mehr an die lebenslange Bindung von einem Mann und einer Frau glaubte? Woran lag es überhaupt, dass man sich nicht mehr binden oder festlegen wollte? Waren es wirklich die zahllosen Alternativen, die man sich offenhalten zu müssen glaubte, oder konnte bloß keiner den eigenen Anforderungen gerecht werden? War es das Trugbild der Hollywood–Liebe, das unsere täglichen, alltäglichen Empfindungen, und seien sie noch so tief und aufrichtig, im Vergleich dazu lächerlich und unspektakulär erscheinen ließ? Vielleicht war es die Angst, die allzu oft berechtigte Angst, zu versagen, dieses lange Leben nicht durchzuhalten, Verlockungen zu erliegen, einzusehen, dass man kein Held, sondern nur ein Mensch war, ein normaler Mensch aus Fleisch und Blut, mit Mühe, Maß zu halten. Konnte man in der Beschränkung Erfüllung finden? Und wenn man versagte, was dann? Hätte man noch die Kraft weiter zu machen und nicht alles über Bord zu werfen, obwohl man gezwungen wäre, jede Stunde vielleicht, neu anzufangen, es von Neuem mit immer derselben Person zu versuchen? Die Ehe als lebenslange Verbindung eines Mannes und einer Frau war nicht der Regelfall, wie einem Gesetz und Religion weismachen wollen. Die lebenslange Verbindung, das Festhalten an einem gemeinsamen

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