Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
Vom Netzwerk:
religiösen Fanatikern, jungen Leuten, die zu Allem bereit sind.« Der Professor unterbrach sich, legte erneut den Zeigefinger auf die Lippen und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Ich schwöre, dass sie jede Scheußlichkeit begehen werden, um ihre Ziele zu erreichen.«
    »Na wunderbar«,« rief Dr. Albertz aus, »dann hoffe ich, dass zahlungskräftige Fanatiker dabei sind, denn es kostet ein Vermögen, mir mit so einem Unsinn die Zeit zu stehlen.«
    »Oh nein«, wehrte der Professor ab, »oh nein, du hast mich nicht richtig verstanden. Das ist kein Unsinn, glaub‘ mir, ich weiß es!«
    »Was hast du damit zu tun? Hat er dich mit seinen absurden Ideen etwa angesteckt?«
    »Nein, gewiss nicht! Deswegen bin ich gewiss nicht hier.«
    »Weswegen dann? Sag‘ schon!«
    »Er bezichtigt mich einer unglaublichen Tat. Er unterstellt mir, ich hätte ein falsches Gutachten gemacht, das der katholischen Kirche in die Hände spielt. Ich hätte mir damit, so sagt er, die Rücknahme – na du weißt schon. Ist das nicht famos?«
    Dr. Albertz war irritiert, irgend etwas gefiel ihm gar nicht.
    »Und, stimmt es?«
    »Was stimmt?«, fragte der Professor zurück.
    Seine Stimme klang rau.
    »Stell dich nicht dumm! Hast du ein falsches Gutachten gemacht oder nicht?«
    »Das geht dich nichts an!«
    Dr. Albertz räusperte sich.
    »Gut, dann kann ich jetzt ja gehen. Ihr zwei Spinner mit euren ewigen Geschichten. Ich hatte nicht vor, einen ganzen Tag damit zu vergeuden, mir eure Ungehörigkeiten anzutun. Wenn du nicht mit mir reden willst, dann lass mich gefälligst in Ruhe.«
    Damit erhob er sich von dem Schemel und schickte sich an, zu gehen.
    »Um Himmels Willen, bleib!«, rief der Professor bestürzt. »So habe ich das doch gar nicht gemeint. Es ist nur so —«
    »Was?«, fragte Dr. Albertz heftig.
    »Es ist nur so —«, der Professor stockte noch einmal.
    »Es stimmt also«, sagte Dr. Albertz, »und ich soll dir wieder einmal aus der Patsche helfen. Was habe ich nur verbrochen!«
    »Hör‘ zu, es ist nicht so wie du denkst. Die Sache ist viel komplizierter. Ich wollte dich eigentlich bitten, vertraulich über ein paar Dinge zu sprechen.«
    »Was willst du mit mir besprechen?«
    »Hätte ich geahnt, dass du heute kommst, so hätte ich alles vorbereitet. Ich sehe keinen Ausweg mehr, Max. Du hast mir schon einmal geholfen. Vielleicht kannst du es wieder tun. Ich bin tatsächlich in etwas hineingeraten, wo ich alleine nicht mehr herausfinde.«
    »Nun sag‘ schon, du Geheimniskrämer«, entgegnete Dr. Albertz etwas versöhnlicher. »Ich kann dir schließlich nichts abschlagen.«
    »Nicht hier, Max, nicht heute. Schenk‘ mir morgen eine halbe Stunde von deiner kostbaren Zeit. Das wird genügen.«
    Der traurige Unterton war Dr. Albertz unangenehm. Es war ihm lästig, mit den Gefühlen anderer Leute behelligt zu werden.
    »Gut, gut,« wiegelte er daher ab. Wir treffen uns morgen gegen Mittag in meiner Kanzlei. Du fährst doch wieder nach München?«
    Die Miene des Professors hellte sich auf. Er nickte.
    »Ich werde da sein, verlass‘ dich darauf. Ich bin da, egal was passiert.«
    Dr. Albertz überhörte diesen Nachsatz und lächelte. Der Professor sah auf. Es war, als sei die Schwermut von ihm abgefallen.
    »Setz‘ dich wieder, Max, wir haben noch Zeit, ehe das Herrenmahl beginnt. Was er über die Kirche gesagt hat, ist im Kern schon richtig. Aber das alles liegt noch nicht weit genug zurück. Es gibt darüber kaum etwas, das nicht von irgendeiner Weltanschauung geprägt wäre.«
    »Die Synode von Arles liegt noch nicht weit genug zurück?«, fragte Dr. Albertz.
    »Die Synode von Arles?«, entgegnete der Professor. »Nein, die Synode meine ich nicht.«
    »Dann bin ich gespannt.«
    Dr. Albertz mochte es, wenn der Professor über Geschichte sprach.
    »Das mit der Kirche Karthagos und dem Sündenfall bei der Synode von Arles entspricht ziemlich genau den historischen Fakten. Man sollte wirklich einmal darüber nachdenken, was die römische Kirche und vor allem Kaiser Konstantin dazu bewogen hat, diesen Weg einzuschlagen, ehe man sich ein vorschnelles Bild macht. Das mit der Bluthochzeit ist übrigens von mir.«
    »Ich wußte gar nicht, dass du so dramatische Formulierungen verwendest.«
    »Ach weißt du, man muss die Dinge schon beim Namen nennen. Oder lass es mich mit Seneca dem Jüngeren sagen«:
    »Die Religion«, unterbrach ihn Dr. Albertz, »hält der einfache Mann für wahr, der Weise hält sie für falsch, der Herrschende aber hält

Weitere Kostenlose Bücher