Die Aufsteigerin
so schrecklich leid, dass sie fortgebracht wurde und
ich sie nicht sehen kann. Ich mein, ich darf sie doch nicht besuchen, oder?«
Betty nippte an ihrem Tee und überlegte, wie sie das Mädchen am besten anlügen könnte, denn lügen musste sie auf jeden Fall. Wenn es nach Madge Connor gegangen wäre, hätte sie dafür gesorgt, dass dieses kleine Mädchen - na ja, dieser Tage nicht mehr ganz so klein, musste Betty einräumen, aber immer noch ebenso verletzlich - in der Zelle neben ihr schmorte. Sie war nämlich überzeugt, dass Cathy sie reingerissen hatte, und wollte, dass ihre Tochter dafür bezahlte. Es war nur dem Eingreifen von Gates mit Hilfe von Susan P. zu verdanken, dass Madge so lange Stillschweigen bewahrt hatte.
Wenn sie Cathy zu Gesicht bekäme, würde sie das hübsche junge Mädchen beschwatzen, sich zu stellen und selbst die Strafe abzusitzen. Nicht nur für den Mord an Ron, sondern auch für den tätlichen Angriff, zu dem es bei Cathys Flucht aus dem grässlichen Erziehungsheim gekommen war.
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, erzählte Betty dann ein Lügenmärchen, das Cathy entzückte und gleichzeitig Balsam für ihre Schuldgefühle war.
»Deine Mom ist glücklich und zufrieden, Liebes. Ich will nicht sagen, dass sie wirklich glücklich darüber ist, eingesperrt zu sein, aber sie nimmt es hin, weil sie dir damit Schlimmes erspart. Sie möchte nicht erleben müssen, dass auch du im Knast landest. Als sie gehört hat, dass du ausgerissen bist, wollte sie einfach nicht glauben, dass du jemanden angegriffen hast. Sie hat sofort gesagt, dass es bestimmt die andere gewesen sein muss, mit der du zusammen warst. Wer auch immer das war. Du kennst ja deine Mom, Süße. Ich mein, mag sie noch so viele Fehler haben, auf ihre Weise liebt sie dich. Jetzt weißt du Bescheid, wie’s hier aussieht, und nun erzähl, wie es dir ergangen ist. Du siehst ja richtig erwachsen aus, und wenn ich sagen darf, scheint es dir prima zu gehen.«
Cathy lächelte und erzählte Betty, selbstredend in streng zensierter
Version, alles über die liebenswerte Lady, für die sie arbeitete. Keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass Desrae eine echte Frau war, bereitete ihr Unbehagen, und sie kam sich treulos vor. Aber eine innere Stimme mahnte sie, sehr vorsichtig damit zu sein, was sie sagte. So sehr sie Betty liebte - die Dirnen schwatzten untereinander. Wenn sie also immer noch von der Polizei gesucht wurde, wollte sie unbedingt verhindern, dass sie dank Bettys loser Zunge erwischt wurde.
Betty hörte schmunzelnd zu. Sie wusste genau, was Sache war, und bewunderte Cathy für ihre diskrete Zurückhaltung.
Schließlich fragte das Mädchen, wie es Eamonn ergangen war, und auf diese Frage hatte Betty voller Unbehagen gewartet. Sie hatte bereits geschildert, dass Eamonn Senior am Abend, als Cathy und Madge in Gewahrsam genommen wurden, auf der Polizeiwache erschienen war, und wie hilfreich er zusammen mit Gates gewesen war. Jetzt musste sie abermals lügen, um die Gefühle des Mädchens zu schonen.
»Oh, dem geht es prima, Kleines. Macht sich natürlich Sorgen um dich. Hat überall und nirgends nach dir gesucht.« Sie sah das freudige Funkeln in Cathys Augen und seufzte innerlich. Es würde der Kleinen das Herz brechen, wenn sie erfuhr, was Eamonn tatsächlich getrieben hatte.
Doch als sie die hübsche junge Frau so beglückt lächeln sah, konnte Betty nicht mehr weiterlügen.
»Hör zu, Liebchen«, sagte sie, und als ihr klarwurde, wie sehr sie Cathy verletzen würde, hätte ihre Stimme fast versagt. »Er hat jetzt eine andere. Erinnerst du dich an Caroline Harvey? Ihr Vater war jahrelang fort. Sitzt noch immer.« Sie gab sich alle Mühe, leichthin darüber zu sprechen, als sei es ganz normal. »Na ja, mit ihr läuft da wohl was, soweit ich gehört habe.«
Die grausame Enttäuschung, die sich in Cathys Gesicht spiegelte, traf wie ein Dolchstoß mitten in ihr Herz.
Betty nahm einen neuen Anlauf. »Bedenk doch mal, Süße, es
sind sieben Monate vergangen. Ist doch eine lange Zeit für einen jungen Burschen wie ihn.«
Cathy bliebe eine Weile stumm. Dann fragte sie: »Und wo wohnt er jetzt?«
Betty schloss die Augen und antwortete besänftigend: »Er wohnt bei Caroline. Irgendwo bei der Vallance Road. In einer der Wohnungen vom alten Moggs.«
Cathy nickte. Dann wechselte sie das Thema und sagte aufgekratzt: »Und wie können wir beide in Verbindung bleiben? Ich muss doch wissen, wie es meiner Mom geht, oder?«
»Habt ihr denn
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