Die Aufsteigerin
zwei Männer hereinstürzten, die ihn von ihr wegzerrten.
»Verdammte Scheiße, Mann, du hast sie umgebracht!«
Die Stimme seines Nachbarn überschlug sich fast vor Bestürzung und Furcht. Eamonn betrachtete die blutige Masse auf dem Bett und sah sich dann völlig verstört um.
Seine Fäuste waren blutverschmiert und übersät von kleinen Knochensplittern. Caroline Harvey war nicht mehr zu erkennen. Ihre Hände lagen gefaltet auf dem Bauch. Im Todeskampf hatte sie nicht sich selbst geholfen, sondern versucht, ihr ungeborenes Baby zu schützen.
Die beiden Männer erfassten erst jetzt, was geschehen war, und einer von ihnen musste sich übergeben. Sein Würgen war das einzige Geräusch im Zimmer.
Es holte Eamonn abrupt in die Wirklichkeit zurück, und er vergrub den Kopf in den Händen. »Was hab ich getan? Mein Gott, was hab ich nur getan?«, flüsterte er.
Jimmy Salter drängte Eamonn an den Ausguss und wusch ihm die Hände. Dann zerrte er ihn aus dem Zimmer und trug dem anderen Mann auf, es abzuschließen. Er legte sein Jackett um Eamonns Schultern und sagte zu seinem Freund Barry Callard: »Ich bring ihn zu Dixon. Keinen Ton davon, was hier
geschehen ist. Die Leute werden denken, sie haben sich nur mal wieder gestritten.«
Barry Callard war bis ins Mark erschüttert. Er nickte nur und ging hinauf in die Wohnung. Vor Augen hatte er nichts als das Gesicht von Caroline Harvey, das gar nicht mehr da war.
Dieser Anblick sollte ihn für den Rest seines Lebens heimsuchen.
Cathy ging in ein Kaffeehaus in der Brewer Street und bestellte sich eine große Kanne Kaffee und Kuchen. Sie setzte sich ans Fenster und schaute den Passanten nach. Sie schienen es ausnahmslos eilig zu haben und wussten anscheinend genau, wohin sie wollten. Es war ein herrlicher Apriltag, und obwohl die Sonne noch immer schien, war es kühl.
Sie trank ihren Kaffee und überlegte, was sie jetzt mit ihrem Leben anfangen sollte.
Eamonn hatte so sehr ihre Gedanken bestimmt, mehr noch als ihre Mutter, denn er war schon immer der wichtigste Mensch in ihrem Leben gewesen. Wenn sie an die arme Madge dachte, die in Holloway hinter Gittern saß, und sich vor Augen führte, dass sie sich weit mehr Sorgen um Eamonn gemacht hatte, spürte sie Gewissensbisse. Aber er war schließlich mal ihr Ein und Alles gewesen.
Ihn mit Caroline in dieser gruseligen Wohnung zu sehen, das Gesicht malträtiert und die Kleidung dreckig, hatte ihr die Augen geöffnet. Sie hatte immer das Gefühl gehabt, ihn zu brauchen - ohne ihn gar nicht richtig lebendig zu sein. Sie war davon ausgegangen, dass es ihm genauso gegangen war. Er war so lange ihr Lebensinhalt gewesen, und jetzt sah sie ihn, wie ihre Mutter ihn gesehen hatte, wie Betty ihn gesehen hatte und wie sein eigener Vater ihn gesehen hatte.
Sie dachte an die Lügen, die sie ihm aufgetischt hatte, und war froh, dass er jetzt annehmen musste, sie habe einen anderen gefunden. Einen anderen, der sich um sie kümmerte, der sie
wollte und brauchte. Tragisch war nur, dass sie bezweifelte, jemals so einen Menschen zu finden. Die Fähigkeit, einen Mann zu lieben und ihm zu vertrauen, hatte sie für immer verloren. Eamonn war der einzige Mann, mit dem sie es getan hatte, und im Augenblick hatte sie das Gefühl, er werde auch der letzte sein. Für keinen Mann würde sie je eine Caroline spielen.
Ein Schatten fiel über sie, und ganz in Gedanken sagte sie: »Noch einen Kaffee, bitte«, weil sie annahm, die Kellnerin sei gekommen.
»Schon gut, Kleines, ich hab bereits bestellt.«
Cathy hob den Kopf und sah in Desraes Gesicht. Er war wie ein Normalo gekleidet, Bundhosen mit Bügelfalten und ein schwarzes Polohemd. Sein Haar war hinten gebunden, und er hatte kaum Make-up aufgetragen. An einem Samstagabend so angezogen? Das verriet ihr, wie sehr er sich um sie sorgte.
»Ich hab allen meinen Kunden abgesagt«, sagte er. »Dachte, wir gönnen uns einen netten Abend, ganz unter uns Mädels. Was hältst du davon?« Während er sprach, griff eine Frau am Nebentisch nach ihrer Handtasche und ihrem Mantel. Mit wütenden Blicken in ihre Richtung zog sie auf die andere Seite des Kaffeehauses um.
Desrae musterte sie, lächelte und sagt laut: »Gott sei Dank, dass die Fregatte weg ist. Ihr Geruch war ja schauderhaft.«
Sich die Tränen aus den Augen wischend, schenkte Cathy ihm ein Lächeln, obwohl sie hätte schwören können, dass sie keins mehr übrig hatte. »Ach, Desrae, so schwer kann das Leben ja nicht sein, solange ich dich
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